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Wie es Euch gefaellt, Mylady

Wie es Euch gefaellt, Mylady

Titel: Wie es Euch gefaellt, Mylady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jillian Hunter
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wahren Grund seines Bleibens völlig vergessen hatte, und sie schämte sich ein wenig dafür. „Er hat es mal erwähnt, aber ich lehnte den Vorschlag ab. Ich gehe nie alleine aus und finde diese Maßnahme völlig übertrieben.“
    „Wollen Sie eine Decke, Boscastle?“, fragte Hermia fürsorglich und übernahm die Rolle der Gastgeberin, die Julia so sträflich vernachlässigte. „Einen Schluck Brandy …“
    „Er trinkt nicht.“ Am liebsten hätte Julia sich auf die Zunge gebissen, weil sie gestand, sich daran zu erinnern. „Jedenfalls früher nicht.“
    Das unverschämte Blitzen in seinen Augen entging ihr auf dem Weg zur Tür nicht. Wie dumm von ihr, Stück um Stück verriet sie sich, ließ ihn wissen, wie wichtig er ihr gewesen war. Ein Lächeln umspielte seinen sinnlichen Mund. „Ich trinke immer noch nicht“, sagte er und klang ziemlich selbstzufrieden. „Du hast ein ausgezeichnetes Gedächtnis, Julia. Ich fühle mich geschmeichelt.“
    Ja, ich habe ein ausgezeichnetes Gedächtnis, und das ist ein Teil meines Problems, überlegte sie, als sie wenige Minuten später ins Bett schlüpfte. Sie entsann sich nur zu gut, wie leicht Heath Boscastle sie aus der Fassung gebracht hatte. Zu viel war zwischen ihnen geschehen, um so zu tun, als bestehe zwischen ihnen nur eine harmlose Freundschaft. Bei jeder Begegnung mit ihm wurde ihre Selbstbeherrschung auf eine harte Probe gestellt. Der Widerspruch zwischen dem, was einmal zwischen ihnen gewesen war, und dem, was heute zwischen ihnen sein musste, konnte nur zu Reibereien führen. Unter Männern könnten sie ihre aufgestauten Gefühle in einem wütenden Faustkampf bereinigen. Als Mann und Frau war diese simple Lösung leider nicht angebracht.
    Als sie am nächsten Morgen nach unten ging, hoffte sie, er habe das Haus verlassen. Schließlich hatte sie niemand bedroht, und tagsüber würde ihr in ihrem eigenen Haus keine Gefahr drohen. Sie war nicht unvernünftig und hatte nicht die Absicht, das Haus ohne männliche Begleitung zu verlassen. Durchaus war sie in der Lage, Gefahren zu erkennen. Und dieser Instinkt ließ dann auch alle Alarmglocken in ihr schrillen.
    Heath saß am Frühstückstisch, frisch rasiert und gepflegt wie immer, und las die Zeitung. Er blickte kurz auf und zog eine dichte schwarze Braue hoch.
    Er musterte sie nur ein paar Sekunden, doch die Glut in seinen Augen erhöhte ihre Temperatur, als betrete sie einen Schmelzofen. Ein paar bange Herzschläge lang blieb sie stehen, gebannt von seiner Ausstrahlung. Nicht von ungefähr warnten besorgte Mütter ihre wohlbehüteten Töchter, sich vor der gefährlichen Boscastle Sippe in Acht zu nehmen.
    Immerhin hatte Julia es geschafft, ohne diesen speziellen Boscastle sechs Jahre zu leben. Und er war ebenso lange ohne sie ausgekommen. Es müsste also doch möglich sein, ihn einen Monat lang im Zaum zu halten.
    Wie sie allerdings ihre eigenen Gefühle im Zaum halten sollte, war eine andere Frage. Als er sie anlächelte, breitete sich eine wohlige Wärme in ihrer Magengegend aus. Eine schwarze Locke war ihm in die Stirn gefallen. Er sah müde aus, schien aber gut gelaunt nach einer Nacht auf einem unbequemen Sofa.
    Im Grunde genommen war Heath Boscastle ein verantwortungsvoller Mann und war nur geblieben, weil er es für seine Pflicht hielt. Was musste er von ihr denken? Verglichen mit den sittsamen Damen, die ihm in aller Heimlichkeit begehrliche Blicke zuwarfen, hatte sie sich leichtfertig und zügellos benommen. Plötzlich schoss ihr die Frage durch den Sinn, wer seine gegenwärtige Geliebte sein mochte, die gewiss etwas dagegen hätte, ihn als Beschützer an Julia auszuleihen.
    „Hast du schon gefrühstückt?“, fragte sie, um sich von ihren ungehörigen Gedanken abzulenken.
    „Ja, danke.“
    Sie setzte sich an ihren Platz und strich glättend über eine Falte im Damasttuch. In den Jahren ihrer Ehe hatte sie einige Erfahrungen gesammelt und war nicht mehr so naiv wie früher. Auf ihre Art war sie ebenso erfahren wie Heath, wenngleich nicht in großer Vielfalt, aber immerhin hatte sie gelernt, sich manierlich zu benehmen.
    Oder etwa nicht?
    Wieso gingen ihr eigentlich solch unsinnige Gedanken durch den Kopf?
    Sie würde Russell heiraten. Londons tapferen, gut aussehenden Helden. Er hatte in all den Jahren nie den Kontakt zu ihr abgebrochen, sich in seinen Briefen gelegentlich scherzhaft als ihre letzte Verbindung zur zivilisierten Welt bezeichnet. Vielleicht stimmte das ja auch. Allerdings war sie nie

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