Wie es Euch gefaellt, Mylady
im Geringsten stören.
Als Nächstes löste er seine weiße Seidenkrawatte und legte sie sorgsam auf den Tisch neben ein Buch. Dann streckte er sich auf dem Sofa aus und verschränkte die muskulösen Arme hinter dem Kopf, ohne die Damen auch nur eines Blickes zu würdigen. Gottlob schien er nicht die Absicht zu haben, sich weiter zu entkleiden. Julia war völlig verwirrt. Hatte sie sich doch noch gar nicht von ihrem Gespräch im Schlafzimmer erholt, wagte nicht einmal darüber nachzudenken, was er damit bezweckt hatte. Eine List, um sie in sein Bett zu locken? Nein. Solche Tricks hatte Heath nicht nötig. Aber warum hatte er diese Dinge ausgesprochen? Damit machte er alles nur noch schlimmer für sie, weckte verbotene Sehnsüchte.
Sie trat einen Schritt auf ihn zu.
Er schien in den Anblick eines Gemäldes über dem Kamin vertieft, das eine bacchantische Götterszene aus der griechischen Mythologie darstellte.
„Heath.“ Sie räusperte sich. Seine auf dem Sofa hingestreckte Gestalt rief verstörend sinnliche Bilder in ihr wach. Allem Anschein nach wollte er die Nacht hier verbringen. In ihrem Salon. „Ich weiß, dass das nicht dein Ernst sein kann … du kannst unmöglich tun, was du offenbar vorhast.“
Er warf ihr unter halb geschlossenen Lidern einen finsteren Blick zu, der sie traf wie die Spitze eines Dolches, die in ein berauschendes Gift getaucht worden war. Kein Wunder, dass sie seinen Verführungskünsten schon einmal erlegen war. Mit diesem Blick konnte er ein Frauenherz zum Schmelzen bringen. In ihrem Innern breitete sich ein höchst unerwünschtes Begehren aus. Seine Fürsorge rührte und verlockte sie zugleich. Er wollte die Nacht in ihrem Haus verbringen, um sie zu beschützen.
Er hatte Krawatte und Schuhe vor ihr und ihrer Tante ausgezogen. Was würde als Nächstes folgen?
„Kann ich noch etwas für dich tun, Julia?“, fragte er vorwurfsvoll.
Sie stand über ihm und hatte Mühe, klar zu denken. Er lag ausgestreckt auf dem Sofa, vor langer Zeit hatte er ausgestreckt auf ihr gelegen. Ihre Wangen glühten in Erinnerung an ihre lüsternen Empfindungen, als sein sehniger Körper sich an sie gepresst hatte. Vielleicht vergaß keine Frau ihre ersten erotischen Erfahrungen. Unzählige Male hatte sie sich heimlich die sinnlichen Wonnen jenes Nachmittags in Erinnerung gerufen. Die Bewegung seiner Hüften, seine pralle Männlichkeit an ihren Schenkeln, die Hitze seines Mundes. Ihr Körper schien ein eigenes Erinnerungsvermögen zu besitzen.
„Was denkst du dir eigentlich dabei?“, fragte sie leise.
Er schloss die Augen, als wolle er sie entlassen. „Wie du siehst, werde ich die Nacht hier verbringen. Lässt du bitte die Tür offen, wenn du gehst?“
„In diesem Zimmer?“ Sie hielt den Atem an. „In meinem Haus?“
„Ich will einen freien Blick auf die Straße haben.“
„Das ist völlig unnötig, Heath“, platzte sie heraus. „Meine Diener können das Haus bewachen.“
„Diener hatte Russell auch.“
Tante Hermia zog ihren Morgenmantel enger um die Schultern und eilte zum Fenster. „Ich weiß nicht, wie du darüber denkst, Julia, aber ich fühle mich wohler mit einem kraftvoll gebauten Mann im Haus.“
Julia warf Heath einen Seitenblick zu. Für ihren Seelenfrieden war er ein wenig zu kraftvoll gebaut. Wie sollte sie sich verhalten? Sollte sie so tun, als sei es das Normalste von der Welt, dass ein umschwärmter Herzensbrecher in ihrem Salon übernachtete?
Sie stieß rückwärts gegen den Teetisch. „Was sollen die Nachbarn denken?“
„Was sollen sie erst denken, wenn man morgen unsere Leichen findet?“, entgegnete Tante Hermia theatralisch. „Ich jedenfalls werde ruhiger schlafen im Wissen, dass Boscastle in der Nähe ist.“
„Ich aber nicht“, murmelte Julia. „Soll er doch auf Russell aufpassen, nicht auf mich.“
Heath schlug die Augen auf und blickte ungerührt an ihr vorbei zum Fenster. „Ein Fremder in einer schwarzen Kutsche ist mir gefolgt und stand lange vor dem Haus. Hast du einen heimlichen Verehrer, Julia?“
„Welch eine Frage!“, entrüstete Hermia sich. „Es grenzt ohnehin an ein Wunder, dass Russell sie heiratet, nachdem sie ihren Ruf ruiniert hat, weil sie auf diesen Soldaten geschossen hat.“
„Lässt Russell dein Haus bewachen?“, fragte Heath, ohne auf Hermias Einwand zu achten.
„Nein.“ Mittlerweile war Julia klar geworden, dass er sie tatsächlich in Gefahr wähnte. Er hatte sie mit seiner Unverfrorenheit so verärgert, dass sie den
Weitere Kostenlose Bücher