Wie es mir gefaellt
vorwurfsvoll und warf ihn in den Einkaufskorb. Sie lächelte
bitter, schüttelte dann den Kopf und suchte die Regale nach den weizenfreien
Teigwaren ab. Ihr Vater redete dauernd mit Gegenständen, um den kauzigen
Künstler herauszukehren. Vanessa war aber keine Künstlerin - noch nicht -, und
wenn sie außer diesem Brocken vegetarischen Fleischersatz (der ihr noch nicht
mal schmeckte) nicht bald jemanden zum Reden fand, würde sie nicht bloß kauzig
werden, sondern viel schlimmer: komplett wahnsinnig!
»Geh doch mal raus und mach was mit
deinen Freunden«, riet Ruby ihr immer, wenn sie besonders traurig, verbittert
und einsam wirkte. Für Vanessa gehörte dieser Tipp zur selben Kategorie wie:
Zieh doch auch mal was Farbiges an statt immer nur Schwarz. Für sie war
Schwarz eine Farbe - und zwar die einzige Farbe. So wie Dan ihr einziger Freund
war. Ihr wurde mulmig bei dem Gedanken, was sie erzählen sollte, falls ihre
Eltern nach ihm fragten. Und noch mulmiger, wenn sie daran dachte, dass sie
niemanden hatte, mit dem sie in den Ferien abhängen konnte.
Es sei denn... sie organisierte sich
jemanden.
I
entpuppt sich als experte für pelziges
Da
war er! Jenny flog förmlich die Schultreppe hinab. Leo - kurz für Leonardo
(zweifellos eine Verbeugung vor Leonardo da Vinci, einem der bedeutendsten,
wenn nicht gar dem bedeutendsten Künstler überhaupt) -, ihr Leo holte sie von der Schule ab wie ein
verliebter Freund, der allerbeste Freund der Welt. Supergroß und superblond war
er, mit strahlenden haselnussbraunen Augen, einem niedlichen, leicht lädierten
Schneidezahn und federndem Gang. Und er gehörte ihr, ganz allein ihr!
»Ach, guck mal, da ist dein Bruder«,
sagte ihre neue beste Freundin Elise Wells hinter ihr, als Jenny schon auf Leo
zustürmte. Sie hatte Recht. Ein paar Meter weiter wartete Dan mit hängenden
Schultern und in den Taschen vergrabenen Händen. Als wäre Jenny plötzlich
wieder zehn und müsste nach Hause begleitet werden.
Jenny stellte sich auf die Zehenspitzen
und drückte Leo einen Kuss auf die Wange, während Dan zusah. »Hi«, raunte sie
ihm ins Ohr und kam sich extrem reif vor. Mit ein bisschen Glück schaute gerade
ihre ganze Klasse - nein, die ganze Schule - neidisch zu.
»Du bist so warm«, murmelte Leo und
griff mit seinen langen Fingern etwas unbeholfen nach ihrer kleinen Hand. Dabei
streifte er versehentlich ihren Busen und wurde rot.
Jenny Humphrey war klein, die Kleinste
aus der neunten Klasse, hatte aber die größten Möpse der ganzen Schule,
womöglich sogar der ganzen Welt. Sie waren so groß, dass sie sogar schon daran
gedacht hatte, sie chirurgisch verkleinern zu lassen. Nach reiflicher
Überlegung war sie dann aber zu dem Schluss gekommen, dass ihr Busen zu dem
gehörte, was sie ausmachte, und hatte entschieden, ihn zu akzeptieren. Sie war es gewohnt, dass
Leute aus Versehen mal dranstießen, weil er sich so weit vorwölbte, aber Leo
musste sich offensichtlich noch an ihn gewöhnen.
O ja, musste er.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte er
mit kaum hörbarer Stimme. Anfangs hatte Jenny Schwierigkeiten gehabt, ihn
überhaupt zu verstehen, weil er so leise sprach und lieber mailte als
telefonierte. Aber sie fand es irgendwie auch toll, dass andere Leute nichts
mitkriegten, wenn Leo etwas zu ihr sagte. Das war ein bisschen so, als hätten
sie ihre eigene Geheimsprache. Und es verlieh Leo die düster-rätselhafte Aura
eines Menschen mit dunkler Vergangenheit.
Dan hatte zwar schon von dem Kerl
gehört, den seine kleine Schwester online kennen gelernt hatte, war Leo
Berensen aber bisher noch nie begegnet. Er ging zu den beiden hin und stellte
sich vor. »Du bist auch in der Zwölften, auf der Smale, ja? Ich hab gehört, der
Schweipunkt liegt da auf Design und Kunst.«
»Ja«, antwortete Leo fast lautlos. Sein
Blick aus den ha- selnussbraunen Augen streifte Dans Gesicht nur kurz. Jenny
klammerte sich an seinen Arm und strahlte zu ihm hinauf, als hätte er mit
seiner Antwort gerade sämtliche Weltprobleme gelöst. »Ja, das stimmt.«
»Klingt cool.« Dan spürte leichte
Gereiztheit in sich aufsteigen. Er war extra hergekommen, um bei Jenny ein
bisschen mit seinem Praktikumsplatz beim Red Letter anzugeben, und jetzt stahl ihm dieser
blonde Schwachkopf die Show.
»Ah, ich will ja nicht nerven, Leute,
aber... könnten wir vielleicht irgendwohin reingehen?«, schaltete sich Elise
Wells ein, die etwas abseits stand. Sie hatte sich ihre störrischen blonden
Haare hinter die
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