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Wie es uns gefällt

Wie es uns gefällt

Titel: Wie es uns gefällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ackroyd
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Kratzen der Federn aus seinen Träumen riss.
    Gerade als er mit drei runden Os eine Berechnung abschloss, verkündete die Glocke das Ende dieses Arbeitstages.
    Tom Coates stand bereits neben seinem Stuhl. «Charlie, was meinst du? Kommst du auf einen Schluck mit?»
    Zu ihnen gesellte sich Benjamin Milton, der die Hände an die Lippen legte und wie ein Horn tutete.
    «Fein», erwiderte Charles, «aber nur auf einen.»
    Die drei jungen Männer polterten auf die Leadenhall Street hinaus und liefen rasch über das Kopfsteinpflaster. Ihre Hände hatten sie in den Taschen vergraben, die Schöße ihrer schwarzen Gehröcke flatterten hinter ihnen her. Sie bogen in die Billiter Street ein, tätschelten im Vorbeigehen die Flanken der Pferde und stolzierten schließlich in die verheißungsvolle Wärme des Billiter Inn, wo sie bereits dumpfes Gemurmel und der süße Duft nach Porter erwartete. Sie fanden eine Nische und warfen sich auf die Sitzbank. In solchen Momenten empfand sich Charles durch und durch als Glied in einer langen Kette. Dieses Gasthaus hatte schon alles endlos oft erlebt, jede menschliche Bewegung, jede menschliche Geste. Das dumpfe Gemurmel und der süße Getränkegeruch verschmolzen zur Vergangenheit schlechthin, die ihn einhüllte und auf ihn Anspruch erhob. Er konnte sagen, was er wollte, alles war schon einmal gesagt worden.
    «Ich weine an Wiegen und lächle an Gräbern. Auf dein Wohl, Ben.» Er nahm den Zinnbecher, den ihm sein Kollege reichte, und trank einen tiefen Schluck Ale. «Ich trinke nur aus Pflichterfüllung.»
    «Natürlich.» Tom Coates hob seinen Becher. «Reine Notwendigkeit. Ohne einen Funken Vergnügen.»
    «Ich grüße untertänigst mein Schicksal.» Benjamin stieß mit ihnen an.
    «Ach ja, die Schicksalsgöttinnen. Die Schwestern. Heil, Atropos!» Charles trank aus und blickte sich suchend nach dem Kellner um, den alle immer nur «Onkel» riefen. Er war ein ernsthafter alter Mann, der immer noch Kniehosen mit Wollstrümpfen trug.
    «Vom Besten, Onkel, wenn’s beliebt.»
    «Sogleich, Sir. Sogleich.»
    «Dieser Spruch wird noch auf seinem Grabstein stehen», murmelte Charles den anderen zu. «Sogleich, Sir. Sogleich. Gott wird es ihm lohnen.»
    Eine Stunde oder auch mehr saßen die drei zusammen und zechten. An den Inhalt ihrer Gespräche hätten sie sich später nicht mehr erinnern können. Es ging einzig und allein um das Gemeinschaftserlebnis, in dem sich die Stimmen nahtlos aneinanderreihten, um Zuruf und Antwort, um geteilte Empfindungen. All das wirkte anregend und beruhigend auf sie. Eigentlich hätte sich Charles an diesem Abend mit William Ireland treffen sollen, aber das hatte er restlos vergessen. Schließlich trennte er sich an der Ecke Moorgate von seinen Freunden. Während die anderen nach Norden spazierten, Richtung Islington, machte er sich Richtung Holborn auf den Heimweg.
    Plötzlich bekam er einen heftigen Schlag ins Genick.
    «Was hast du in der Tasche? Her damit.»
    Auf diesen Zuruf hin drehte er sich um, doch er bekam noch einen Hieb. Er taumelte gegen die Wand und spürte, wie jemand seine Taschen durchsuchte. Man riss seine Uhr von der Kette und entwendete ihm mit schnellen, fast ungeduldigen Bewegungen die Geldbörse. Dann hörte er den Dieb wegrennen, die Ironmonger Lane hinunter. Seine Schritte hallten zwischen den hohen Häusern nach. Charles lehnte sich an der Straßenecke gegen die Mauer, rutschte seufzend aufs Pflaster hinunter und griff nach seiner Uhr. Jetzt fiel ihm wieder ein, dass man sie ihm gestohlen hatte. Ernsthaft verletzt war er nicht, aber plötzlich merkte er, dass er sehr müde war. Restlos erschöpft. Mit einem Mal gehörte auch er zur großen Sippe all derer, die nach einem Überfall genau hier – an der Ecke Ironmonger Lane und Cheapside – beschlossen, sich auf die Straße zu setzen. Noch immer hörte man das Echo der Schritte, die sich schnell vom Tatort entfernten.

3
     
     
     
    William Ireland saß mit seinem Vater im Speisezimmer über der Buchhandlung. Bei ihnen saß auch Rosa Ponting, die Lebensgefährtin von Samuel Ireland.
    «Das war ein hübsches Stück Flussbarsch», meinte sie. «Ganz butterzart.» Sie tunkte ihr Brot in die restliche Buttersauce. «Ich glaube, es wird regnen. Sammy, möchtest du mir die Kartoffeln reichen, mein Schatz? Wusstest du, dass sie ursprünglich aus Peru stammen?»
    Solange William zurückdenken konnte, hatte Rosa in diesem Haus gelebt. Mittlerweile war sie in die Jahre gekommen und hatte sich ein

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