Wie Feuer und Eis - On Thin Ice
gestrigen Party wieder aufgetaucht. Gerade noch rechtzeitig, um ihre kleine Seifenblase zum Platzen zu bringen. Sie war schon fast überzeugt gewesen, dass er das Rennen sausen ließ. Doch er hatte sie enttäuscht. Einmal mehr.
Da stand er und war bereit, an einem Rennen teilzunehmen, bei dessen Vorbereitung sich die anderen fast ein Bein ausgerissen hatten. Doch Derek erzielte mit wenig Aufwand überragende Resultate. Egal, was er tat. Während die Normalsterblichen unablässig mit ihren Hunden trainierten und sich Monat für Monat an ihre körperlichen Grenzen trieben, reiste Derek herum. Und weil Lily seine Hunde liebte, trainierte sie sie zusammen mit ihren, wenn er fort war.
Falls er dieses Jahr gewann oder auch nur annähernd dem Sieg nahe kam, würde sie - sie wusste nicht, was sie tun würde. Aber es würde nichts Erfreuliches sein.
»Du würdest staunen, wenn du wüsstest, wie geduldig ich sein kann«, sagte Derek.
»Woher willst du das wissen? Du hast dein ganzes Leben lang nie auf irgendwas warten müssen«, sagte Lily süßlich.
»Liebes, es gibt jede Menge Dinge, auf die ich warte.«
Sie zog es vor, das dunkle Glimmen in seinen Augen und das heiße Gefühl in ihrem Unterleib zu ignorieren.
»Was soll das für eine Geduld sein, wenn du nur am Strand liegen musst und irgendwelche Dienstboten um dich rumhüpfen?«
»Du hast keine besonders hohe Meinung von mir, oder, Lily?«
»Stört dich das?«
»Und was, wenn ich ja sage?«
Dann hätte sie ihm nicht geglaubt, sagte sie sich. Derek war keineswegs an ihr interessiert. Das Flirten lag in seinen Genen. Gefährlich wurde es erst, wenn sie dumm genug war, auf sein Geschwafel hereinzufallen. Was er empfand, war höchstwahrscheinlich Mitleid. Die Witwe seines besten Freundes. Armes, einsames Ding. Sei nett zu ihr, und streichle ihr Ego mit einem harmlosen kleinen Flirt. Aus irgendeinem Grund ging ihr die Vorstellung, dass er aus Mitleid um sie warb, heute ganz besonders auf die Nerven. »Schau, Derek, ich weiß, du versuchst einfach nur, nett zu sein, weil du glaubst, dass ich gerade jetzt einen Freund brauche. Fein. Wunderbar. Danke. Wir sind Freunde. Aber ich muss mich jetzt wirklich konzentrieren, also falls es dir nichts ausmacht …«
»Wirklich nett …« Seine Stimme verklang, als könne er nicht glauben, dass sie das tatsächlich gesagt hatte, aber es kümmerte Lily nicht. Sie warf ihm einen flüchtigen Blick zu und fuhr fort, unsinnigerweise das Hundegeschirr zu prüfen.
»Gibt es einen speziellen Grund, dass du so versessen darauf bist, mich loszuwerden?«, fragte Derek milde und lehnte sich an den Haltebügel ihres Schlittens. Er stopfte die Hände tief in die Taschen seiner Lammfelljacke und betrachtete sie, als könne er ihre Gedanken lesen.
Sie brauchte die Einsamkeit - den weiten Raum, wo es nur sie, die Hunde und das Überleben gab -, um den Kopf freizubekommen. Um die Frau zu finden, die sie einst gewesen war. Bevor Sean und die Probleme alles zugedeckt hatten, was sie einst gewesen war, bis sie irgendwann eine Fremde aus dem Spiegel angestarrt hatte.
Lily drehte sich seufzend um und sah zu Derek auf. »Muss ich es dir auf ein Plakat malen? Ich will keine Gesellschaft. Ich will keinen Besuch. Ich will...«
»Dich nicht«, brachte er den Satz für sie zu Ende, und seine Augen funkelten noch, als seine Miene sich schon verfinsterte. Er nickte, rührte sich aber nicht. »Das ist deutlich genug, Lily. Ich lasse dich in Ruhe.«
Irgendetwas blitzte in seinen nachtblauen Augen auf. Schmerz? Enttäuschung? Sie seufzte. Was immer es war, es konnte keines von beidem sein. Sie hätte am liebsten die Hand ausgestreckt und ihn berührt; sie widerstand der Versuchung. Das da war Derek. Er war weder verletzt noch enttäuscht. Sie hatte ihm bloß einen Strich durch die Rechnung gemacht. »Tu das.«
»Fürs Erste«, setzte er unerbittlich hinzu. »Ich gebe dir das Rennen, aber dann setzen wir uns hin und führen ein ernsthaftes Gespräch.«
Lily straffte den Rücken. Wollte er ihr gestehen, dass er in den Schwindel mit dem Bullensperma verwickelt war? Sie versuchte, seine Gedanken zu lesen, aber Dereks Miene war wie üblich undurchdringlich. »Worüber?«, fragte sie argwöhnisch.
»Deine Zukunft.«
Wie, bitte? Sie zog die Augenbrauen hoch. » Meine Zukunft?«
»Das, was danach kommt.«
»Um Himmels willen, Derek!« Lily konnte nicht anders, sie lachte. »Willst du jetzt nicht nur lästig, sondern auch noch kryptisch werden? Wovon redest
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