Wie Feuer und Eis - On Thin Ice
minderwertigen Samen als Diablos. So brünstig der Bulle auch war, er hatte nur eine gewisse Menge an Sperma. Da draußen waren jede Menge kleiner Rinder mit falschen Stammbäumen unterwegs.
Lily hatte die letzte Zeit sehr viel genauer ihre Umgebung beobachtet. Wer hatte plötzlich viel Geld? Und was hieß eigentlich »plötzlich«? Soweit sie wusste, lief der Schwindel schon seit Jahren. Derek hatte gestern mit seiner Behauptung, sie bekäme nichts mit, schon Recht gehabt. Zu ihrer Verteidigung ließ sich sagen, dass sie kein Rancher, sondern Tierärztin war. Sean hatte die Bücher geführt, und nach seinem Tod hatte Derek das übernommen.
Wie hätte sie von den Vorgängen auf der Ranch wissen sollen, wenn es sich beide Männer zur Aufgabe machten, sie aus dem Tagesgeschäft herauszuhalten? Und die Wahrheit war, dass sie, abgesehen von ihrer Leidenschaft für die Arbeit mit Tieren, absolut kein Interesse daran hatte, die Ranch zu leiten. Derek hatte sowieso Geld. Er stammte aus reichem Haus und ging lässig damit um. Sein Lebensstil hatte sich, seit sie ihn kannte, nicht verändert. Im Gegensatz zu Sean hatte er nie mit Geld um sich geworfen. Andererseits, dachte Lily irritiert, machte der Mann häufig an exotischen Orten Urlaub. Zudem besaß er ein Flugzeug und mehrere sehr schöne Autos.
Aber Sean... Sean hatte auf viel größerem Fuß gelebt, als Derek es je getan hatte.
»Du scheinst an deinen geliebten Verblichenen zu denken.«
Lily zwinkerte. »Was?«
»Du scheinst an Sean zu denken. Du hast diesen Ich-möchte-dich-ausgraben-du-Hurensohn-und-auf-der-Stelle-um- bringen-Blick.
Lily zwang sich zu lächeln. »Habe ich nicht.«
Matt sah sie mitfühlend an, was Lily innerlich schnauben ließ. Es gab Geheimnisse, die wirklich besser geheim blieben.
»Eines Tages«, sagte ihr Stiefbruder, »wirst du einen guten Typen kennen lernen und bis ans Ende deiner Tage mit ihm glücklich sein.«
»Nicht einmal, wenn Brad Pitt mir einen Antrag machte, tue ich mir das noch mal an«, versicherte Lily erheitert und schob jeden Gedanken an virile, gutmütige männliche Wesen zur Seite. »Nein, danke. Ich habe meine Familie, meine Hunde und meine Massagedusche. Meine Welt ist in Ordnung.«
Matt lachte und hob die Hand. »Okay, ich habe verstanden. Aus der Witwe Munroe wird die alte Lady Munroe werden. Die mit den vielen Hunden, Sie wissen schon.«
»Das muss wohl ich sein.«
»Die Dinge können sich ändern...«
»Nein, warum etwas Gutes kaputtmachen. Wir sollten uns lieber darauf konzentrieren, für dich die perfekte Frau zu finden.«
»Wie wäre es fürs Erste mit ein paar un perfekten Frauen?«, alberte Matt.
Hinter ihnen drängten sich mehrere Gespanne, die darauf warteten, von den Tierärzten untersucht zu werden. Die Zeit für Privatgespräche war vorüber. Stattdessen musste Lily zu ein paar Leuten nett sein, die ihr wegen Seans Tod kondolierten oder über den Start des Rennens und das, was sie noch erwartete, plaudern wollten.
So müde sie auch war, Lily wollte nur raus aus der Menge und auf die Strecke zurück.
»Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?«, fragte Matt, während sich ein paar Musher zum Haus schleppten, um etwas zu essen und sich schlafen zu legen. »Der Eintopf ist wirklich gut«, setzte er hinzu, während er erneut das Gespann entlangwanderte, um Beine und Pfoten auf versteckte Verletzungen zu untersuchen. Lilys Huskys standen nach wie vor unter Strom und wollten weiter. Und solange die Hunde laufen wollten, tat auch Lily nichts weh. Sie wollte eigentlich nicht anhalten. Sie konnte auf dem Schlitten stehend schlafen, was sie schon oft unter Beweis gestellt hatte.
Es war hier viel zu voll für ihr strapaziertes Hirn, und ihr Magen knurrte. Sie konnte in der kalten Luft nicht nur den Rauch der Kochfeuer und den Dieseltreibstoff riechen, sondern auch den verführerischen Duft des Stews. »Ich fahre gleich weiter, sobald ich die Futterbeutel einsortiert habe. Das hier ist mir zu... zu viel.«
Matt zog die Augenbrauen hoch. »Zu viel was?«
Lily schaute sich um. »Zu viel Lärm, zu viel Licht, zu viel Aufregung.« Sie redete schon wie Derek. Was hatte das zu bedeuten?
»Fahr nicht zu lang«, mahnte Matt. »Du und die Hunde, ihr braucht Schlaf.« Er tippte ihr mit dem behandschuhten Finger auf die eisige Nasenspitze. »Und vergiss nicht, auch selber was zu essen!«
»Ja, Mama.« Sie lächelte. »Die Schokolade hält noch eine Weile vor.« Es war nett, einen großen Bruder zu haben.
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