Wie funktioniert die Welt?
Einfachheit zu erwarten, haben wir ebenso wenig einen Anlass wie in der terrestrischen Umwelt mit ihrer raffinierten Komplexität.
Darüber hinaus haben Stringtheoretiker – aus Gründen, die von der Kosmologie völlig unabhängig sind – den Verdacht, dass es eine ungeheure Vielfalt von »Vakuumzuständen« geben könnte. Wenn das stimmt, könnten verschiedene Universen von unterschiedlichen physikalischen Gesetzmäßigkeiten beherrscht werden. Einige Naturgesetze, wie wir sie nennen, sind in diesem größeren Bild vielleicht nur lokale Satzungen: Sie vertragen sich zwar mit einer übergeordneten Theorie, die das ganze Ensemble beherrscht, werden aber von dieser Theorie nicht nur auf eine einzige Weise festgelegt. Genauer gesagt, sind vielleicht manche Aspekte willkürlich und andere nicht. Eine Analogie (die ich dem Astrobiologen und Kosmologen Paul Davies verdanke) ist die Form von Schneeflocken. Ihre allgegenwärtige sechsfache Symmetrie ist eine unmittelbare Folge der Eigenschaften und Form von Wassermolekülen. Aber Schneeflocken zeigen eine ungeheure Vielfalt verschiedener Formen, weil jede durch ihre eigene Geschichte und Mikroumwelt beeinflusst wird; wie eine einzelne Schneeflocke wächst, hängt von den Zufälligkeiten der Temperatur- und Feuchtigkeitsveränderungen während ihrer Entstehung ab.
Würden Physiker zu einer grundlegenden Theorie gelangen, könnten sie uns sagen, welche Aspekte der Natur sich unmittelbar aus dieser fundamentalen Theorie ergeben (wie die symmetrische Struktur der Schneeflocken, die auf die Grundstruktur eines Wassermoleküls zurückgeht) und welche kosmischen Zahlen (wie das besondere Muster einer einzelnen Schneeflocke) eine Folge umweltbedingter Zufälligkeiten sind.
Unser Lebensbereich würde demnach nicht nur vom Zufall bestimmt. Er würde zu jener ungewöhnlichen Teilmenge gehören, in der ein »Glückslos« der kosmischen Zahlen die Entstehung von Komplexität und Bewusstsein möglich machte. Seine scheinbar gezielt gestalteten oder fein abgestimmten Merkmale wären dann keine Überraschung. Am Ende dieses Jahrhunderts werden wir vielleicht zuverlässig sagen können, ob wir in einem Multiversum leben und welche Vielfalt die zu ihm gehörenden Universen zeigen. Die Antwort auf diese Frage wird nach meiner Überzeugung entscheidend darüber mitbestimmen, wie wir das »lebensfreundliche« Universum interpretieren sollen, in dem wir leben (und das wir mit allen Außerirdischen, mit denen wir vielleicht eines Tages in Kontakt kommen werden, teilen).
Manche Physiker werden vielleicht enttäuscht sein, wenn einige entscheidende Zahlen, die sie zu erklären versuchen, sich nur als umweltbedingte Zufälligkeiten erweisen, die ebenso wenig »grundlegender« Natur sind wie die Parameter der Erdumlaufbahn um die Sonne. Aber diese Enttäuschung würde sicher durch die Erkenntnis, dass die physikalische Realität großartiger und reichhaltiger ist, als man sich bisher vorgestellt hatte, mehr als wettgemacht.
Anton Zeilinger
Einsteins Photonen
Physiker, Universität Wien; wissenschaftlicher Leiter, Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften; Autor von Einsteins Spuk: Teleportation und weitere Mysterien der Quantenphysik
Meine tiefgreifende, elegante, schöne Lieblingserklärung ist ein Gedanke, den Albert Einstein 1905 äußerte: Danach besteht Licht aus Energiequanten, heute Photonen genannt. Wie Einstein zu dieser Erkenntnis gelangte, ist selbst unter Physikern weitgehend unbekannt, aber äußerst interessant. Häufig glaubt man, er habe den Begriff erfunden, um den fotoelektrischen Effekt zu erklären. Dieser ist natürlich ein Teil von Einsteins Veröffentlichung des Jahres 1905 , er steht dort aber ziemlich am Ende. Der Gedanke als solcher reicht viel tiefer und ist viel eleganter – und ja, auch schöner.
Stellen wir uns einmal ein geschlossenes Gefäß vor, dessen Wände eine bestimmte Temperatur haben. Die Wände glühen, senden dabei Strahlung aus und absorbieren auch Strahlung. Nach einer gewissen Zeit stellt sich im Inneren des Gefäßes eine Gleichgewichtsverteilung der Strahlung ein. Das wusste man schon vor Einstein. Max Planck hatte die Idee der Quanten eingeführt, mit der man die Energieverteilung der Strahlung in einem solchen Volumen erklären konnte. Einstein ging einen Schritt weiter. Er beschäftigte sich mit der Frage, wie geordnet die Strahlungsverteilung in einem solchen Behälter ist.
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