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Wie funktioniert die Welt?

Wie funktioniert die Welt?

Titel: Wie funktioniert die Welt? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brockman , Herausgegeben von John Brockman
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Stellt man die Seite auf den Kopf, springen die eingedrückten Flächen nach außen und umgekehrt. In Wirklichkeit sind beide Bilder identisch, wurden aber um 180  Grad gegeneinander gedreht. Die Illusion von konkav und konvex tritt auf, weil unser Gehirn unbewusste Schlüsse zieht.
     
    Vorrangige Voraussetzung:
    Ein Schatten im oberen Teil eines Flecks wird fast immer mit einer konkaven Form assoziiert.
     
    Nachrangige Voraussetzung:
    Der Schatten befindet sich im oberen Teil.
     
    Unbewusster Schluss:
    Der Fleck ist konkav geformt.
     
    Unser Gehirn geht von einer dreidimensionalen Welt aus, und die vorrangige Voraussetzung schließt aus zwei ökologischen Gegebenheiten auf die dritte Dimension:
    Licht kommt von oben, und
Es gibt nur eine Lichtquelle.
    Diese beiden Gegebenheiten herrschten im größten Teil der Geschichte von Menschen und Säugetieren vor, als Sonne und Mond die einzigen Lichtquellen waren; die erste gilt näherungsweise auch heute für Kunstlicht. Helmholtz wäre eher der Ansicht gewesen, dass die vorrangige Voraussetzung durch individuelle Erfahrung erlernt wird; andere sprechen sich für evolutionäre Lernprozesse aus. In beiden Fällen werden optische Täuschungen als Produkt unbewusster Rückschlüsse klassifiziert, deren Grundlage in Anhaltspunkten liegt, die in der Regel zuverlässig sind, unter besonderen Umständen aber auch in die Irre führen können.
    Mit dem Begriff der unbewussten Schlüsse kann man auch Phänomene erklären, die aus anderen Sinneskanälen erwachsen. Ein bemerkenswerter Fall, in dem eine vorrangige Voraussetzung plötzlich nicht mehr stimmt, ergibt sich bei Personen, denen ein Bein amputiert wurde. Die vorrangige Voraussetzung (»die Stimulation bestimmter Nerven steht in Verbindung mit diesem Zeh«) stimmt plötzlich nicht mehr, trotzdem empfinden Patienten Schmerzen in Zehen, die nicht mehr vorhanden sind. Die »Phantomgliedmaßen« machen deutlich, dass wir trotz unseres Wissens nicht in der Lage sind, richtige unbewusste Schlüsse zu ziehen. Helmholtz verschaffte uns also mit seinem Konzept eine neue Sichtweise für die Wahrnehmung im Besonderen und die Kognition im Allgemeinen:
    Kognition besteht aus induktiven Schlussfolgerungen. Heute sind statistische und heuristische Modelle für Schlüsse, zu denen Thomas Bayes beziehungsweise Herbert Simon die Anregung gegeben haben, an die Stelle des probabilistischen Syllogismus getreten.
Rationale Schlüsse müssen nicht bewusst ablaufen. Bauchgefühle und Intuition funktionieren mit den gleichen induktiven Schlussfolgerungen wie die bewusste Intelligenz.
Täuschungen sind eine zwangsläufige Folge der Intelligenz. Kognition erfordert, dass man über die vorhandene Information hinausgeht, Wetten abschließt und damit auch Fehler riskiert. Wären wir ohne optische Täuschungen besser dran? Nein: Es würde uns sogar viel schlechter ergehen – wie einem Menschen, der nie etwas sagt, um nur keine Fehler zu machen. Ein System, das keine Fehler macht, ist nicht intelligent.

Martin J. Rees
Schneeflocken und das Multiversum
    Früherer Präsident der Royal Society; emeritierter Professor für Kosmologie und Astrophysik, Universität Cambridge; Master, Trinity College; Autor von From Here to Infinity: A Vision for the Future of Science
    In die Hauptdenkrichtung der Kosmologie ist mittlerweile eine erstaunliche Vorstellung eingeflossen: Möglicherweise ist die physikalische Realität viel umfangreicher als jenes Stück von Raum und Zeit, das wir traditionell als »das Universum« bezeichnen. Vielleicht liegt eine weitere kopernikanische Degradierung vor uns. Wir haben erfahren, dass wir bloß in einem von Milliarden Planetensystemen in einer unter Milliarden Galaxien leben. Aber auch das ist noch nicht alles. Das ganze Panorama, das Astronomen beobachten können, ist möglicherweise nur ein winziger Teil des Nachklangs »unseres« Urknalls, der seinerseits nur einen Knall in einem vielleicht unendlich großen Ensemble darstellt.
    Unsere kosmische Umwelt könnte reich strukturiert sein, aber in Maßstäben, die so gewaltig sind, dass unser Blickfeld sich auf ein winziges Teilstück beschränkt. Dieses »großen Bildes« sind wir uns ebenso wenig bewusst, wie ein Planktonlebewesen, dessen Universum aus einem Liter Wasser besteht, sich der Topographie und Biosphäre der Erde bewusst wäre. Für Kosmologen ist es natürlich sinnvoll, mit einer Erforschung der einfachsten Modelle zu beginnen. Aber im größten Maßstab

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