Wie funktioniert die Welt?
Physiker ist Entropie ein Maß für die Unordnung. Und wie der österreichische Physiker Ludwig Boltzmann zeigen konnte, ist die Entropie eines Systems ein Maß dafür, wie wahrscheinlich sein Zustand ist. Um ein einfaches Beispiel zu nennen: Dass Bücher, Notizen, Bleistifte, Fotos, Kugelschreiber und so weiter über meinen ganzen Schreibtisch verteilt sind, ist viel wahrscheinlicher, als dass sie geordnete Stapel bilden. Und wenn wir eine Million Atome in einem Behälter betrachten, ist es viel wahrscheinlicher, dass sie sich mehr oder weniger gleichmäßig über das Volumen des Behälters verteilen und sich nicht in einer Ecke sammeln. In beiden Fällen ist der erste Zustand weniger geordnet, und wenn die Atome ein größeres Volumen ausfüllen, haben sie eine höhere Entropie.
Einstein erkannte, dass die Entropie von Strahlung (einschließlich des Lichtes) sich mit dem Volumen seines Behälters nach den gleichen mathematischen Prinzipien ändert wie die Entropie von Atomen; in beiden Fällen nimmt die Entropie mit dem Logarithmus des Volumens zu. In Einsteins Augen konnte das kein Zufall sein. Da wir die Entropie des Gases verstehen können, weil es aus Atomen besteht, besteht auch Strahlung aus Teilchen – die er als Energiequanten bezeichnete (heute nennen wir sie Photonen).
Diese Idee wandte Einstein sofort auf den fotoelektrischen Effekt an. Dabei war ihm aber auch klar, dass ein grundlegender Konflikt zwischen der Vorstellung von Energiequanten und dem gutuntersuchten, ausführlich beobachteten Phänomen der Indifferenz bestand.
Das Problem lag in der Erklärung des 2 -Schlitz-Interferenzmusters. Dieses Phänomen beinhaltet in den Worten von Richard Feynman »das einzige Rätsel« der Quantenphysik. Die Schwierigkeit lässt sich einfach formulieren. Wenn wir einen Photonenstrahl durch zwei Schlitze in einer Platte fallen lassen, die beide offen sind, erhalten wir auf dem Beobachtungsbildschirm hinter der Platte ein Interferenzmuster aus hellen und dunklen Streifen. Ist dagegen nur ein Schlitz geöffnet, beobachten wir keine Streifen, sondern eine gleichmäßige Verteilung der Photonen. Dieses Ergebnis ist vor dem Hintergrund der Wellennatur des Lichtes leicht zu verstehen: Wenn Wellen beide Schlitze passieren, kommt es auf dem Beobachtungsbildschirm abwechselnd zur Auslöschung und Verstärkung. Deshalb beobachten wir dunkle und helle Streifen.
Was erwarten wir aber, wenn der Lichtstrahl eine so geringe Intensität hat, dass jeweils nur ein Photon zur gleichen Zeit die Apparatur passiert? Nach Einsteins realistischer Vorstellung wäre es eine natürliche Annahme, dass das Photon durch einen der beiden Schlitze laufen muss, aber nicht durch beide. Das Experiment können wir machen: Wir schicken einzelne Photonen nacheinander durch die Apparatur. Nach Einstein sollte kein Interferenzmuster auftreten, weil ein einzelnes Photon sich als Teilchen für den einen oder anderen geöffneten Schlitz »entscheiden« muss; entsprechend würde im Gegensatz zum Bild von der Welle auch keine Verstärkung oder Auslöschung stattfinden. Dies war auch tatsächlich Einsteins Meinung; er äußerte die Vermutung, Streifen würden nur dann auftreten, wenn viele Photonen die Apparatur gleichzeitig passieren und untereinander so in Wechselwirkung treten, dass sich ein Interferenzmuster ergibt.
Heute wissen wir aus vielen Experimenten, dass das Interferenzmuster auch bei einer so geringen Intensität auftritt, dass in jeder Sekunde nur ein Photon den Apparat passiert. Wenn wir lange genug warten und die Verteilung aller Photonen auf dem Beobachtungsbildschirm betrachten, erhalten wir das Interferenzmuster. Die moderne Erklärung lautet: Das Interferenzmuster entsteht nur dann, wenn nirgendwo im Universum eine Information darüber existiert, welchen Schlitz das Teilchen passieren soll (die umgangssprachliche Aussage, ein Photonen passiere beide Schlitze gleichzeitig, sollte man mit einem gewissen Vorbehalt betrachten). Aber auch wenn Einstein in diesem Punkt unrecht hatte, wies seine Idee von den Lichtquanten, das heißt den Photonen, weit in die Zukunft.
Noch in demselben Jahr 1905 – dem Jahr der Wunder, in dem er auch seine spezielle Relativitätstheorie veröffentlichte – bezeichnete Einstein den Artikel über Photonen in einem Brief an seinen Freund Conrad Habicht als »revolutionär«. Soweit man weiß, war dies seine einzige Arbeit, die er jemals revolutionär nannte, und deshalb ist es durchaus passend, dass sie
Weitere Kostenlose Bücher