Wie funktioniert die Welt?
natürliches, elegantes System der reinen Geometrie ist, das in einen schrecklichen Zustand des Verfalls übergegangen war und deshalb der mathematischen Anerkennung entging. Nach dieser Überlegung konnte das mathematische Wrack der modernen Quantenfeldtheorie sich nur deshalb mit Händen und Füßen am Leben festkrallen und angesichts strenger mathematischer Untersuchungen zahlreiche Nahtoderfahrungen überleben, weil es von einer natürlichen, unendlichdimensionalen Geometrie zusammengehalten wird, die wir bis heute nur teilweise verstehen.
Kurz gesagt, bemühten sich die meisten Physiker vergeblich darum, Einsteins geometrische Theorie der Gravitation quantitativ zu erfassen, weil sie glaubten, sie müssten sich anfangs in der entgegengesetzten, weniger glanzvollen Richtung bewegen und stattdessen das Quant geometrisch formulieren. Pech für die Physik: Mathematiker hatten den Ball fallen gelassen und die Geometrie unendlichdimensionaler Systeme (darunter das Standardmodell) nicht so weit entwickelt, dass es eine Analogie zu der vierdimensionalen Riemann’schen Geometrie gebildet hätte, die Einstein aus der Mathematik entlehnt hatte.
Diese Umkehr kann man durchaus als Einsteins Rache für die Exzesse des Quanten-Triumphgeheuls betrachten. Sie wird Jahrzehnte nach seinem Tod eiskalt serviert: Je mehr die Wissenschaftler davon träumten, die geometrische Gravitation quantentheoretisch zu formulieren und damit zu Physik-Nobelpreisträgern zu werden, desto mehr wurden sie nur als Mathematiker für die relativ provisorische Aufgabe belohnt, das Quant geometrisch zu erfassen. Je mehr sie behaupteten, »Glanz und Gloria« der Stringtheorie (eines gescheiterten Stücks der Elementarteilchenphysik aus den 1970 er Jahren, das aus rätselhaften Gründen bis ins 21 . Jahrhundert im Schwange war) sei »das Einzige, was zählt«, desto mehr sah es so aus, als würde die auf Strings basierende Vereinheitlichung, der nachprüfbare Voraussagen fehlten, mit einem Blubbern auf den Meeresboden sinken.
Aus dieser Episode haben wir tiefgreifende Erkenntnisse gewonnen. Wenn die Physiker gescheitert sind, dann nur in ihren eigenen Begriffen, die sie über Bord werfen wollten. Genau wie in einer früheren Zeit, in der eine Reihe von Physikern sich neuer Werkzeuge bedienten und so zur ersten Generation der Molekularbiologen wurden, so gewannen Physiker in den letzten vier Jahrzehnten auch die Vorherrschaft über die moderne Geometrie, und sie konnten zahlreiche Erfolge verbuchen, die den Test der Zeit bestehen werden. Gleichzeitig gingen ihre Versuche, die Geometrie zu quantisieren, auf eine höchste romantische, elegante Weise nach hinten los: Sie geometrierten das Quant, was im Rückblick notwendig war, um eine klaffende Lücke zu füllen, welche die mathematischen Geometer hinterlassen hatten. Diesen Hohlraum hätten auch die Mathematiker früher oder später entdeckt, denn heute gilt er als ganz natürliches Teilstück der reinen Mathematik. Die Quantenfeldtheorie erweist sich ihrem Namen zum Trotz als ein Stück reiner Mathematik, das von erfindungsreichen Liebhabern aufgrund der Notwendigkeit entwickelt wurde, die Folgerungen der grundlegenden Gleichungen, die den eigentlichen physikalischen Inhalt repräsentieren, aufzudecken.
Die wichtigste Lektion jedoch lautet: Zumindest Einsteins kleinerer Traum ist bereits in Form einer Art Gruppenprojekt in Erfüllung gegangen. Alle bekannten physikalischen Phänomene kann man heute als gestaltete Form aus dem reinen Marmor der Geometrie betrachten, auch wenn sie sich mit den Bemühungen einer ganzen Reihe neuer Großmeister mit weniger bekannten Namen verbinden, darunter Quillen, Singer, Simons, Atiyah, Witten, Penrose, Yang, Schwartz, Seiberg, Segal, Hitchin und Jackiw. Damit ist schon im Vorfeld der Vereinheitlichung erklärt, dass der Quellcode des Universums wahrscheinlich ein rein geometrisches, in einer einzigen Programmiersprache geschriebenes Betriebssystem ist. Die Suche nach der vereinheitlichten Physik bleibt zwar auch dann immer noch unvollendet, und der Marmor ist so etwas wie ein buntscheckiges Mosaik aus Farben, es legt aber die Vermutung nahe, dass die führenden Vertreter aus der Zeit des Standardmodells die Periode des Stillstandes zum Vorteil derjenigen von uns, die ihnen nachfolgen wollen, gut genutzt haben.
Dave Winer
Wie spät ist es?
Softwareentwickler; Gründer von UserLand Software; Herausgeber des Weblogs Scripting News
Vor ein paar Jahren hörte ich, nur
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