Wie funktioniert die Welt?
Erwartung schließen, dass die Quantentheorie durch die angestrebte Vereinheitlichung nicht angetastet werden wird. Die Stringtheorie – nach meiner Überzeugung das bei weitem erfolgreichste, wenn auch nicht vollständige Ergebnis dieser Bestrebungen – ist streng quantenmechanisch und enthält keinerlei Abwandlungen des Gedankengebäudes, das von Heisenberg, Schrödinger und Dirac vollendet wurde. Wegen der mathematischen Strenge der Quantenmechanik kann man sich nur schwer irgendwelche Abwandlungen vorstellen, ob die Beobachtungen sie nun erfordern oder nicht.
Andererseits sprechen dezente Anhaltspunkte dafür, dass auch die Quantenmechanik das Schicksal ihrer Vorgänger ereilen wird. Am faszinierendsten ist dabei nach meiner Auffassung die Rolle der Zeit. In der Quantenmechanik ist Zeit ein unverzichtbarer Parameter der Evolution. In der allgemeinen Relativitätstheorie dagegen ist sie nur ein Aspekt der Raumzeit, ein Begriff, von dem wir wissen, dass er an der Singularität tief im Inneren eines schwarzen Lochs zusammenbricht. Wenn Zeit keinen Sinn mehr hat, ist schwer zu erkennen, wie die Quantenmechanik noch aufrechterhalten werden soll. Die Quantenmechanik bereitet zwar der allgemeinen Relativitätstheorie mit Sicherheit Schwierigkeiten, aber da es Singularitäten gibt, liegt die Vermutung nahe, dass die allgemeine Relativitätstheorie auch der Quantenmechanik Schwierigkeiten bereiten kann. Es wird faszinierend sein zuzusehen, wie dieser Kampf ausgefochten wird.
Eric R. Weinstein
Einsteins Rache: Das neue geometrische Quant
Mathematiker und Wirtschaftswissenschaftler; Inhaber der Natron Group
Erst seit kurzem verstehen wir, dass die moderne Theorie der Quanten viel vorzüglicher geometrisch ist als Einsteins allgemeine Relativitätstheorie. Wie dies im Laufe der letzten 40 Jahre entdeckt wurde, ist eine faszinierende Geschichte, die, soweit ich weiß, nie vollständig erzählt wurde und auch bei denen, die diese verblüffende Leistung erbrachten, nicht sonderlich populär ist.
Die Geschichte beginnt irgendwann um 1973 / 74 , als das allgemein anerkannte Bild der grundlegenden Teilchentheorie sich nicht mehr weiterentwickelte. Dieser Stillstand, Standardmodell der Teilchenphysik genannt, schien anfangs wenig mehr zu sein als eine vorübergehende Ruhepause auf dem unaufhaltsamen Weg des Fortschritts in der physikalischen Grundlagenforschung; Theoretiker verschwendeten keine Zeit mehr auf die Formulierung neuer Theorien, rechneten sie doch damit, dass diejenigen, die mit Experimenten nach neuen Phänomenen suchten, ihre Vorstellungen schnell bestätigen würden. Aber dieser erwartete Eintritt ins Gelobte Land der neuen Physik erwies sich als eine vierzigjährige Durststrecke der verzweifelten Stammeswanderung in trockener Wüste, auf der es so gut wie keine neuen Phänomene gab.
Aber gerade als die Teilchenphysik Mitte der 1970 er Jahre nicht mehr weiter vorankam, ereignete sich bei einem Mittagessen an der State University of New York in Stony Brook in aller Stille etwas Erstaunliches. Der Nobelpreisträger C.N. Yang und der Geometer Jim Simons (der wenig später Milliardär werden sollte) hatten ein informelles Seminar ins Leben gerufen, weil sie klären wollten, ob die moderne Geometrie etwas mit der Quantenfeldtheorie zu tun hat und wenn ja, was. Dabei machten sie eine schockierende Entdeckung: Sowohl die Geometer als auch die Quantentheoretiker hatten unabhängig voneinander verschiedene Erkenntnisse über dieselbe Struktur gewonnen, die jede Gruppe für sich entdeckt hatte. Die Physiker stellten sehr schnell eine Art Stein von Rosetta zusammen, das Wu-Yang-Wörterbuch; Isadore Singer vom MIT brachte die Befunde von Stony Brook zu seinem Kollegen Michael Atiyah in Oxford, wo sie ihre Forschungsarbeiten mit Nigel Hitchin fortsetzten und damit in der physikalisch inspirierten Geometrie eine Renaissance in Gang setzten, die bis heute anhält.
Unter jüngeren Mathematikern und Physikern wird heute zwar weniger häufig über die Geschichte von Stony Brook gesprochen, sie ist aber zwischen verschiedenen Mitgliedern der Wissenschaftlergemeinde kein Streitpunkt. Dennoch hat sie einen umstrittenen Teil: Das erhoffte Goldene Zeitalter der theoretischen Physik stellte sich nicht ein und brachte auch keine neue, allgemein anerkannte Theorie der Elementarteilchen mit sich. Stattdessen unterstrichen die Interaktionen die seltsame Vorstellung, dass die Quantentheorie möglicherweise tatsächlich ein
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