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Wie funktioniert die Welt?

Wie funktioniert die Welt?

Titel: Wie funktioniert die Welt? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brockman , Herausgegeben von John Brockman
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scharfen sprechen können, eröffnen sich neue Möglichkeiten. Musikalische Töne sind hoch oder tief; ein saurer Geschmack ist hoch, eine bittere Geschmacksnote ist tief. Geruch kann tiefe und hohe Töne haben. Wir können uns niedergedrückt oder unglaublich hochgestimmt fühlen. Ein solcher Wechsel des Wortschatzes schafft die Möglichkeit, mit Hilfe gut verstandener Sinnesmodalitäten verschiedene Aspekte der Erfahrung nachzuzeichnen.
    Werbefachleute wissen dies intuitiv und nutzen die sinnesübergreifenden Zusammenhänge zwischen abstrakten Formen und bestimmten Produkten oder zwischen Geräuschen und Anblicken aus. Eckige Formen lassen nicht an stilles, sondern an kohlensäurehaltiges Wasser denken – und eine Speiseeismarke namens »Frisch« hört sich sahniger an als eine, die »Frosch« heißt. Auffällig ist auch, wie viele erfolgreiche Unternehmen einen Namen haben, der mit dem harten »K« beginnt, und bei wie wenigen es ein »S« ist. Solche Assoziationen setzen im Geist Erwartungen in Gang, die uns nicht nur bei der Wahrnehmung helfen, sondern auch unser Erleben prägen können.
    Es ist auch nicht nur der Wortschatz. Heinrich Wolfflin schrieb im 19 . Jahrhundert in seiner Abhandlung über die Psychologie der Architektur: Weil wir einen Körper haben und der Schwerkraft unterliegen, weil wir uns biegen und das Gleichgewicht halten, wissen wir die Form von Gebäuden und Säulen zu schätzen; wir empfinden ein Mitgefühl für ihr Gewicht und ihre Belastungen. Physische Formen haben nur deshalb diesen oder jenen Charakter, weil wir einen Körper besitzen.
    In jüngster Zeit führte diese Idee in den Arbeiten von Chris McManus am University College in London zu neuen Erkenntnissen über ästhetische Urteile. Wie alle guten Erklärungen bringen sie weitere Erklärungen und Erkenntnisse hervor. Dies ist wieder einmal ein Beispiel dafür, wie wir die Wechselbeziehungen zwischen den Sinnesinformationen nutzen, um die Welt um uns herum zu verstehen und auf sie zu reagieren. Dass wir alle glauben, Zitronen seien schnell, ist deshalb vielleicht zu einem großen Teil der Grund dafür, dass wir so schlau sind.

John Tooby
An der richtigen Stelle gelandet: Entropie und der verzweifelte Erfindungsreichtum des Lebendigen
    Begründer der Evolutionspsychologie; Codirektor des Center for Evolutionary Psychology der University of California in Santa Barbara
    Es war die schwerste Entscheidung, vor der ich im Frühstadium meiner Wissenschaftlerlaufbahn stand: Sollte ich die wunderschönen Rätsel der Quantenmechanik, der Nichtlokalität und der Kosmologie für etwas ebenso Faszinierendes aufgeben und mich mit der Entschlüsselung des Codes beschäftigen, den die natürliche Selektion in die Programme der Neuronenschaltkreis-Architektur unserer Spezies eingebaut hat? Im Jahr 1970 kam es durch die allgemeinen kulturellen Umwälzungen und die Geopolitik dazu, dass erste Schritte in Richtung eines nichtideologischen, von Berechnungen geprägten Verständnisses für unser evolutionär entstandenes »Wesen des Menschen« immer dringlicher erschienen. Der Aufstieg von Informatik und Kybernetik schien solche Schritte möglich zu machen. Und die Tatsache, dass Verhaltensforscher und Sozialwissenschaftler um die Evolutionsbiologie einen großen Bogen machten und ihr feindselig gegenüberstanden, was diese Fachgebiete nahezu kastriert hatte, ließ sie notwendig erscheinen.
    Ich ließ mich schließlich vor allem deshalb auf die andere Seite ziehen, weil die Theorie der natürlichen Selektion selbst eine so außerordentlich schöne, elegante Motivation für Vermutungen war. Ihre theoretische Brille zu tragen hieß, immer neue Offenbarungen zu erleben: Sie bevölkerte den Geist mit Ketten von Schlussfolgerungen, die sich durch das Denken zogen wie Kristallgitter durch eine übersättigte Lösung. Und was noch besser war: Sie geht von letzten Prinzipien (wie Mengenlehre und Physik) aus und lässt deshalb in vielen Bereichen keine Wahlfreiheit.
    Aus der Sicht der Physik blieb dennoch unterhalb der natürlichen Selektion ein tiefgreifendes Problem, das einer Erklärung bedurfte: Die Welt, die uns von der Physik geschenkt wird, ist unvermindert düster. Sie jagt uns in die Luft, wenn sie uns nicht verbrennt oder unsere Zellen und Makromoleküle unmerklich zermalmt, bis wir tot sind. Sie fegt Planeten, Lebensräume, Anstrengungen, geliebte Menschen und uns selbst hinweg. Wellen von Gammastrahlen löschen ganze galaktische Regionen aus;

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