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Wie funktioniert die Welt?

Wie funktioniert die Welt?

Titel: Wie funktioniert die Welt? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brockman , Herausgegeben von John Brockman
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als Antrieb für ihre Verdoppelung, womit sich zahlreiche Kopien ihrer selbst über die Landschaft verteilen.
    Die Entropie schleust manchmal Kopierfehler in den Verdoppelungsvorgang ein, aber eine in replikative Systeme eingebrachte Unordnung korrigiert sich selbst. Was weniger gut organisiert ist, verdoppelt sich definitionsgemäß schlechter und wird deshalb aus der Population beseitigt. Dagegen werden Kopierfehler, welche die funktionale Ordnung (das heißt die Verdoppelungsfähigkeit) ansteigen lassen, häufiger. Dieser unaufhaltsame Sperrklinkeneffekt der Replikatoren ist die natürliche Selektion.
    Die Lebewesen bedienen sich auf vielfältige, subtile Weise des Kunstgriffs, für die Entropie verschiedene Bezugsrahmen zu verwenden, grundsätzlich gilt aber immer das Gleiche: Was für einen Bezugsrahmen in einem physikalischen Bereich eine natürliche Zunahme der Unordnung (das heißt eine Bewegung in Richtung der wahrscheinlichsten Zustände) darstellt, kann in einem anderen Bezugsrahmen ausgenutzt werden, um die Unordnung zu verringern. Die natürliche Selektion greift verschiedene Bereiche der Entropie (zum Beispiel Zellen, Organe, Membranen) heraus, die jeweils ihren eigenen Entropie-Bezugsrahmen anlegen, und verknüpft sie. Werden die richtigen Bezugsrahmen zueinander in Beziehung gesetzt, bringen sie die Verdoppelung zuwege, indem sie verschiedene Formen der zunehmenden Entropie ausnutzen, um andere Formen der Entropie zu verringern, und zwar so, dass es für das Lebewesen nützlich ist. Die Diffusion des Sauerstoffs aus der Lunge ins Blut und zu den Zellen ist beispielsweise die Entropie der chemischen Vermischung – hier stellen sich wahrscheinlichere Zustände mit höherer Entropie ein, gleichzeitig wächst aber aus der Sicht der Begünstigung von Fortpflanzung die Ordnung.
    Entropie lässt Dinge fallen, aber das Leben manipuliert das Spiel auf erfindungsreiche Weise so, dass sie dann häufig an der richtigen Stelle landen.

Peter Atkins
Warum geschehen Dinge?
    Emeritierter Professor für Chemie, Universität Oxford; Autor von Reactions: The Private Life of Atoms
    Die Ansicht, dass Ereignisse sich abspielen, weil alles immer schlechter wird, ist von wunderbarer Einfachheit. Ich denke dabei an den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik und die Tatsache, dass alle natürlichen Veränderungen von einer Zunahme der Entropie begleitet sind. Das habe ich zwar im Kopf, ich verstehe diese Worte aber unter dem Gesichtspunkt, dass Materie und Energie bestrebt sind, sich in Unordnung zu verteilen. Moleküle eines Gases sind unaufhörlich in praktisch zufälliger Bewegung und verteilen sich über das zur Verfügung stehende Volumen. Die chaotische Wärmebewegung der Atome in einem heißen Metallklotz regt auch ihre Nachbarn zu Bewegungen an, und wenn die Energie sich in die Umgebung ausbreitet, kühlt der Klotz ab. Jeder natürliche Wandel ist im Kern eine Ausdrucksform dieses einfachen Prozesses – Ausbreitung in Unordnung.
    Diese Wahrnehmung der natürlichen Veränderungen hat aber den erstaunlichen Aspekt, dass die Verteilung auch Ordnung erzeugen kann: Aus der Ausbreitung in Unordnung können Strukturen erwachsen. Dazu bedarf es nur eines Hilfsmittels, das sich in die Ausbreitung einklinkt, und genau wie man einen fallenden Wasserlauf nutzen und zum Antrieb des Zusammenbauens verwenden kann, so kann man auch den Strom der Verteilung nutzbar machen. Insgesamt ist das Fortschreiten der Welt mit einer Zunahme der Unordnung verbunden, aber lokal können Strukturen, darunter Kathedralen und Gehirne, Dinosaurier und Hunde, Frömmigkeit und böse Taten, Dichtung und Hetzreden, als lokale Verringerung des Chaos auftauchen.
    Betrachten wir beispielsweise einen Verbrennungsmotor. Der Funke setzt die Verbrennung der Kohlenwasserstoffe im Treibstoff in Gang; die dabei entstehenden kleineren Wasser- und Kohlendioxidmoleküle verteilen sich und bewegen dabei einen Kolben. Gleichzeitig verteilt sich die bei der Verbrennung freigesetzte Energie in der Umgebung. In der mechanischen Konstruktion des Motors werden diese Verteilungsvorgänge ausgenutzt, und über eine Reihe weiterer Gerätschaften kann man den Vorgang auch dazu nutzen, um aus Backsteinen eine Kathedrale zu bauen. Die Ausbreitung führt also zur Entstehung einer lokalen Struktur, obwohl die Welt insgesamt ein wenig weiter in Unordnung versunken ist.
    Brennstoff kann auch unser Abendessen sein, das verstoffwechselt wird, wobei Moleküle und Energie frei werden und

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