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Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)

Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)

Titel: Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Jürgs
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schwieg zustimmend. In diesem bewachten Mief, den sie sozialistische Wärme nannten, agierten die heute bei GRH und ISOR untergekrochenen Staatsdiener. Etwas anderes als Druck auszuüben haben sie nie gelernt. Kein Wunder also, dass sie zunächst verstört verstummten, nachdem das Volk sie 1989 verstoßen hatte.
    Jetzt schreien sie umso lauter nach Wiedergutmachung, nach Rehabilitierung. Christoph Links, Gründer des ersten unabhängigen Verlags in der DDR nach 1989, der die Reihe »Forschungen zur DDR-Geschichte« herausgibt, verlangt für die alten Radikalen dennoch keinen Radikalenerlass, keine Überwachung durch den Verfassungsschutz, weil man denen sonst eine Wichtigkeit beimessen würde, die sie in Wirklichkeit nicht haben. Er baut auf die Kraft der besseren Argumente. Beispielsweise ist die Behauptung, das MfS sei niemals als Unterstützer von Terroristen tätig gewesen, ziemlich einfach zu widerlegen. Ohne die Hilfe der
Stasi hätten die RAF-Terroristen in der DDR kein neues Leben beginnen können. Und wer wohl brachte den Sprengstoff für die »Carlos«-Terroristen nach Westberlin, mit dem diese die »Maison de France« in die Luft jagten?
    Reue und Einsicht sind diesen Genossen ebenso fremd wie einst den braunen Volksgenossen, den gesamtdeutschen Vätern und Großvätern. Generäle, Obristen, Hauptleute, Fußvolk fühlen sich ebenfalls dem früher herrschenden Korpsgeist verbunden. Zu schweigen über das, was geschehen ist, woran sie aktiv beteiligt waren, woran sie geglaubt haben, ist deshalb eine Frage ihrer Art von Ehre. Werner Großmann, ehemals stellvertretender Minister für Staatssicherheit: »Die wirklich etwas wissen, sagen es nicht. Heute nicht, und später auch nicht. Das erfordert ihr Ehrenkodex.«
    Niemand aber weiß, ob man die Altkader ernst nehmen muss, ob ihr über viele Jahre aufgespanntes Netzwerk nur ihnen selbst Halt gibt in einer als unsicher empfundenen demokratischen Umwelt oder ob sie mit ihrer Behauptung, die DDR sei ein Staat wie jeder andere gewesen, halt von einer Mauer umgeben und von nur einer Partei regiert, Resonanz im Volk finden, das sich im Herbst 1989 von seinen Volksbeglückern befreit hat. Ihre Uhren gehen ja nicht nur anders, sie gehen zurück. Zum Beispiel bei der Ankündigung eines Clubabends ihres verdienten Mitglieds Egon Krenz im »Neuen Deutschland«, der zwar um 19 Uhr unter dem Thema »Unrechtsstaat DDR? Rechtsstaat BRD?« beginnen sollte, aber als Matinee bezeichnet wurde. Eigentlich seien sie, sagt Rainer Eppelmann, nur ein zu vernachlässigender Bodensatz der Geschichte.
    Den Trost, dass es sich um eine aussterbende Spezies handelt, vermittelt sogar die ISOR selbst. In ihren Vereinsblättern wird seitenweise den treuen Mitgliedern im Alter zwischen fünfundsiebzig und fünfundneunzig von der Schriftleitung gratuliert. Es sind viele. Sie haben die Zukunft hinter sich, sind deshalb keine Gefahr für die Gegenwart, weil sich das Problem biologisch lösen wird.Wenn sich die alt gewordenen Kameraden treffen, klagen sie
aber nicht nur über ihre Lage in der Nation, sie feiern auch, verbunden mit dem Dank an die »16 Mitglieder des Musikzuges der Feuerwehr Clenze, Landkreis Lüchow-Dannenberg, die über drei Stunden zu Tanz und Unterhaltung aufspielten«.
    Doch hauptsächlich geht es ihnen um das von ihnen sogenannte »Rentenstrafrecht«, unter dem sie leiden, weil ihnen ihrer Meinung nach für ihre einst aufopfernde Tätigkeit mehr Rente zusteht, als sie von der so ungeliebten Bundesrepublik bekommen. Die bösen Sieger haben die Renten für hauptamtliche Mitarbeiter des MfS gedeckelt. Der laut Satzung »selbstlos tätige« Verein nennt deshalb als Zweck und Aufgabe die Unterstützung von ehemaligen Angehörigen der NVA und des MfS, sofern sie wegen »ihrer früheren Tätigkeit Beschränkungen oder Verletzungen ihrer sozialen Rechte unterliegen«, fordert die »Anerkennung der in der ehemaligen DDR rechtmäßig erworbenen Renten- und Versorgungsansprüche«.
    Sich dafür einzusetzen ist ihr gutes Recht in einem Rechtsstaat, aber dass dieser Anspruch der Täter von den Opfern als unverschämte Frechheit bezeichnet wird, ist erst recht verständlich. Während der gesamtdeutsche Steuerzahler mit jährlich 1,5 Milliarden Euro die Zusatzrenten der ehemaligen bewaffneten Organe finanziert, mussten die SED-Opfer siebzehn Jahre warten, bis ihnen 250 Euro pro Monat als »besondere Zuwendung für Haftopfer« zugestanden wurden im »Dritten

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