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Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)

Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)

Titel: Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Jürgs
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SED-Unrechtsbeseitigungsgesetz«, aber nur bei nachgewiesener Bedürftigkeit und auch nur dann, wenn sie mindestens ein halbes Jahr in der DDR aus politischen Gründen inhaftiert gewesen waren. Aufbau-Ost-Minister Wolfgang Tiefensee (SPD) nannte die von der Großen Koalition beschlossene Regelung der Opferpensionen einen »sehr, sehr guten Kompromiss«. Im März 2008 waren rund 45 000 Anträge gestellt, aber erst 20 000 bewilligt worden.
    An den scheinbar hehren, sozialverträglichen ISOR-Absichten ist nach der Lektüre von »Protestresolutionen« zu zweifeln, die zufällig jedes Jahr zum Tag der deutschen Einheit veröffentlicht werden: »Der Kapitalismus wurde politisch, ökonomisch, sozial
und juristisch auf das Gebiet der DDR übertragen... Illusionen sind angesichts des Sozialabbaus, der Bildungsmisere, der Verarmung beträchtlicher Teile der Bevölkerung und der hemmungslosen Bereicherung einer kleinen Oberschicht an den harten kapitalistischen Realitäten zerschellt. Ethische und moralische Werte sind Opfer hemmungsloser Profitgier geworden. Die aktive Friedenspolitik der DDR wurde durch eine imperialistische Kriegspolitik ersetzt... Repressive Maßnahmen gegen anders Denkende und Handelnde nehmen zu... es wird die DDR als totalitäre Diktatur diffamiert... Das in Jahrzehnten geschaffene Volksvermögen der DDR wurde vorsätzlich an westdeutsche und ausländische Unternehmen verschleudert oder vernichtet...«
    Müssen Sie dabei, würde ich spontan gern den hochgebildeten Gregor Gysi fragen, nicht an Max Liebermann denken, der einst beim Anblick der SA-Horden gar nicht so viel fressen konnte, wie er kotzen wollte? Aber das gehört sich nicht, ich weiß, also frage ich ihn nur, warum er bei der Jahreshauptversammlung der ISOR-Truppen von Berlin-Treptow und Köpenick eine Rede gehalten und was er denen dort erzählt hat. »ISOR erzähle ich was von der Rente, denen geht es nur darum, und wenn es um die Geschichte geht, sage ich denen, wenn ihr nicht lernt, selbstkritisch mit eurer Geschichte umzugehen, dann dürft ihr euch nicht wundern, wenn es andere für euch tun. Die Stasi hat den Staat doch nicht sicherer gemacht, sondern vielmehr im Gegenteil zerstört.« Andererseits dürfe eine falsche Biografie auch nicht zur Rentenkürzung führen, »oder haben Sie schon mal ein Urteil gelesen selbst gegen einen Mörder, wonach ihm außerdem die Rente halbiert wird?«.
    Natürlich war, wie meist, außerdem alles anders, als es in den Zeitungen stand. Kein Solidaritätstreffen der angeblich ganz neuen Linken mit alten sturen Revanchisten, im Gegenteil. Er rede, sagt er, Klartext auch bei denen, die seiner Partei nahestehen. Sie sollten aufhören rumzuheulen, sollten lieber stolz darauf sein, was sie alles schon erleben durften und lebend überstanden haben: Nazidiktatur, Besatzung, DDR, Einheitsdeutschland. Normalerweise
brauche man dafür fünf Generationen, und das hätten sie alles in einer geschafft. Bei einer Basisgruppe stand daraufhin mal einer auf und sagte: Gregor, du bist immer so kritisch in Bezug auf die Mauer, aber jetzt müsse er doch was für die Mauer sagen, denn in seinem Ort gab es mal zehn Ärzte, dann nur noch sechs, und hätte man nicht die Mauer gebaut, dann wäre unser Gesundheitssystem zusammengebrochen.Was sagste nu, Gregor?
    Und was haben Sie gesagt, Herr Gysi?
    »Ja, sagte ich dem Mann, ich hab eine Frage an dich: Glaubst du an mehrere Leben, oder glaubst du, dass wir nur ein Leben haben? Eins, klar. Da sagte ich: Bei fünf Leben verstehe ich, wenn man einem Arzt sagt, ein Leben musst du in der DDR leben, die anderen vier meinetwegen woanders. Aber wenn du nur ein Leben hast, wie kommst du dazu, ihm vorzuschreiben, dass er in deiner Stadt bleiben muss? Für einen demokratischen Sozialisten ist dein Ausgangspunkt falsch, da muss ich doch eher überlegen, wie ich die Ärzte halten kann. In dem Moment, in dem du das mit Zwang organisierst, gibst du deinen moralischen Anspruch auf.« Und Gysi empfahl ihm als Vorbild den Genossen Gregor: »Ich habe mich im Januar 1990 an der katholischen Kirche aufgebaut, die hat Inquisition und alles danach auch überstanden, die Bergpredigt gibt es seit zweitausend Jahren, was sind da schon siebzig Jahre Diktaturen gegen die Idee einer sozial gerechten Gesellschaft.«
    Die alten Kämpfer von der GRH beschränken sich nicht auf ihre Kameradschaftstreffen, bei denen sie sich gegenseitig bestätigen, wie schön es doch früher gewesen sei. Sie werden laut. Sie

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