Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)
werden frech. Sie drohen. Ihr Vorsitzender Hans Bauer wettert gegen Geschichtsfälschung und gegen Lügen, die »nicht durch Wiederholen zur Wahrheit werden«. Er meinte damit Gedenktafeln, die im ehemaligen militärisch gesicherten Stasi-Sperrgebiet Berlin-Hohenschönhausen, in dem einst das Ministerium für Staatssicherheit residierte und seine Haftanstalten unterhielt, an diese finstere Vergangenheit erinnern, von der die Leugner nichts mehr wissen wollen: »Während der über vierzigjährigen kommunistischen Diktatur in Ostdeutschland waren hier mehr als 40 000 Menschen
inhaftiert.« Der ehemals SED-treue Jurist Bauer: »Im 50. Jahr des KPD-Verbots in Westdeutschland lässt sich auch die Frage stellen, wo die Gedenktafeln für die politischen Opfer der Adenauer-Justiz sind.«
Eine Diskussion im Berliner Stadtteil Hohenschönhausen, wo sich heute in der 1990 abgewickelten Stasi-Haftanstalt die von Hubertus Knabe geleitete Gedenkstätte befindet, den die Altkader und DDR-Nostalgiker von Herzen hassen, der wegen seiner übertreibenden Zuspitzungen und seiner Manie, Kommunisten mit Naziverbrechern gleichzusetzen, aber auch bei seriösen Kritikern umstritten ist, nützten »Mielkes dressierte Männer« (Jürgen Schreiber im »Tagesspiegel«) zu einem skandalösen Auftritt. Sie brüllten dazwischen, schimpften auf den Klassenfeind, verhöhnten die Opfer, die hilflos verstört in einer Ecke standen, während die Angst von einst in ihnen hochkroch. Sie kotzten sich aus. Selbst das wäre vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt, aber nicht nur ihr Erbrochenes stank zum Himmel. Sondern das Schweigen derer, die auf dem Podium saßen und ihnen nichts entgegensetzten, darunter auch der damalige Berliner PDS-Kultursenator Thomas Flierl.
In Hohenschönhausen kann wie in Bautzen oder wie in der Leipziger Südvorstadt die DDR-Geschichte hautnah erlebt werden. Das interessiert Nachgeborene wie Davongekommene.Viele Besucher würden erst an diesem Tatort begreifen, sagt Knabe, was kommunistische Diktatur bedeutete. Er vergisst jedoch nicht zu erwähnen, dass die Mehrheit der 200 000 Besucher aus den alten Bundesländern kommt, weniger als 20 000 aus der ehemaligen DDR schauten sich 2007 an, welchen Zeiten sie und ihre Eltern entronnen sind.
Auch das ist ein Stück Alltag der deutschen Einheit. Die einen verklären sich die Vergangenheit, weil die ihnen versprochene blühende Zukunft in der Gegenwart nicht sichtbar ist, weil es ihnen subjektiv angeblich noch schlechter gehe als damals. Da ging es ihnen doch nur schlecht.Vergessen dabei, dass sie sich mit ihren Unterdrückern gemein machen, weil die Populisten ihre Enttäuschung
und Frustration ausnutzen, um für sich Propaganda zu machen. Die anderen sehen beim lautstarken Gebrüll der Gestrigen ihre Vorurteile bestätigt, dass mit Stasi-Pack, das wagt, sein Maul wieder aufzumachen, statt es zu halten, kein demokratischer Staat zu machen sei.
Bei einer Art Butterfahrt, verteilt auf zwei Busse, ins dänische Odense, 50 Euro hin und zurück, wo ehemalige Stasi-Mitarbeiter und NVA-Offiziere bei einem als wissenschaftlich deklarierten Kongress als Zeitzeugen auftreten sollten, wurde die Taktik besprochen und anschließend in der Aula der Universität auch umgesetzt. Selbstkritik stand nicht auf der Tagesordnung. Die Graugesichtigen blühten empört rotwangig auf, wenn sie ans Mikrofon traten und ihre Vergangenheit verklärten. Sogar zwei ihrer ehemaligen Topspione hatten sie mitgebracht, und natürlich hatten auch die, wie eigentlich alle der hier versammelten Hauptamtlichen, immer nur eines im Sinn gehabt – für den Frieden zu kämpfen.Warum denn noch niemand auf die Idee gekommen sei, sie für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen, wäre eine naheliegende Frage gewesen, aber die zynische Bemerkung von Hubertus Knabe, diese Gespenstertruppe von Stasi-Offizieren als Zeitzeugen auftreten zu lassen, sei etwa so, als würde man Osama bin Laden und seine Bande zu einer Tagung über Terrorismus einladen, war auch nicht schlecht.
Gegen Geschichtsklitterung, gegen das uneinsichtige Leugnen der Täter, wehren sich Aufrechte. Vertreten im Verein »Gegen Vergessen Für Demokratie«, gegründet von Hans-Jochen Vogel, geleitet von Joachim Gauck, und vertreten in der »Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur« unter dem Vorsitz von Rainer Eppelmann. Die beiden wortgewaltigen Ostler sind wirkungsvoll, weil sie über die Taten der Altkader, von denen die nichts mehr wissen wollen,
Weitere Kostenlose Bücher