... Wie Gespenster in der Nacht
es geht.“
Sie öffnete die Augen. In seinen konnte sie absolut nichts ablesen. „Bis zur Hüfte hinauf“, wisperte sie.
„Oh, Fiona! Warum hast du nicht vorher etwas gesagt? Das Laufen war zu viel für dich, stimmt’s?“
Sie nickte. „Mein ganzes Leben lang haben alle auf mich Rücksicht genommen und zurückgesteckt. Ich habe es satt.“
„Leute, denen an dir liegt, nehmen eben Rücksicht. Und jeder von uns braucht manchmal eine helfende Hand.“ Seine Hand wanderte jetzt noch höher, wie um seine Aussage zu bekräftigen.
Ihr Bein war jetzt warm und gut durchblutet, aber viel kurioser war die Wärme, die durch ihr Inneres floss. Trotz Schmerz und Verlegenheit reagierte sie auf seine Berührung. Bei dem Gedanken verspannte sie sich, weil sie sich für diese Reaktion schämte, und prompt wollte sich der Krampf zurückmelden. Andrew musste es gefühlt haben, denn der Druck seiner Hand wurde stärker, und die Verspannung ließ sofort wieder nach.
Als er seine Hände wegnahm, fühlte sie sich, als hätte sie etwas Wertvolles verloren. „Danke. Das hat wirklich sehr geholfen.“
Er rückte näher, stellte sein Knie unter ihren Schenkel. Bevor sie ihn aufhalten konnte, legte er eine Hand an die Innen-, die andere an die Außenseite ihres Schenkels und begann das Fleisch zu massieren. „Der Muskel ist hart wie Stein. Da wird wohl etwas Arbeit nötig werden, um das zu lockern.“
Fiona hatte Angst, etwas zu sagen, denn mehr als ein Stöhnen würde ihr wohl nicht über die Lippen kommen. Ein Strudel von Empfindungen wirbelte in ihr. Sie versank in Scham, tauchte auf voller Verlangen. Wie oft hatte sie sich danach gesehnt, berührt zu werden! Aber wie viel Macht eine Berührung haben konnte, das hatte sie nicht geahnt.
Als Andrew mit dem Ergebnis zufrieden war, presste er den Handballen sanft an ihre Hüfte. Einmal, dann noch einmal. Der Schmerz verschwand auf wundersame Weise. Ein dankbarer Seufzer entschlüpfte ihr, und Andrew drückte fester. Als er sich endlich zurücklehnte, fühlte sich ihr Bein völlig locker und entspannt an.
„Wackle mit den Zehen“, wies er sie an.
„Andrew, es geht mir gut.“ Ihre Stimme klang genau so, wie sie befürchtet hatte: verträumt, benommen, berauscht.
„Wackle. Mit. Den. Zehen.“
„Du bist ein Tyrann!“ Erst bewegte sie ihre Zehen, dann ließ sie ihren Fuß kreisen.
„Noch Schmerzen?“
„Nein, gar keine mehr.“ Sie schaffte es, ihm ins Gesicht zu schauen. Etwas lag in seinem Blick, das über Sorge und Entschiedenheit hinausging. Etwas, das mehr Wärme besaß.
Oder bildete sie sich das nur ein?
„Willst du aufstehen und versuchen, ein paar Schritte zu laufen?“, fragte er jetzt.
„Nein. Ich kann dir gar nicht genug danken. Aber jetzt iss deinen Fisch weiter. Der ist wahrscheinlich schon kalt.“
„Das bezweifle ich. Der hatte gar keine Zeit, um kalt zu werden.“
Nicht? Es kam ihr vor, als hätte Andrew sich jahrelang um sie gekümmert. Jahrzehnte. Sie bemühte sich, so normal wie möglich zu klingen. „Wo hast du das gelernt?“
Er hob ihr Bein behutsam an und rutschte darunter hinweg, dann setzte er sich zurück auf seine Seite. „Ich hatte auch schon mal einen Krampf im Bein. Allerdings hing ich da gerade an einer steilen Felswand. Ich musste nach oben kommen, Krampf oder nicht, oder ich wäre dabei gestorben.“
Sie krümmte sich leicht. „Das ist ja schrecklich!“
„Also habe ich gelernt, was in einem solchen Falle zu tun ist.“
„Da habe ich aber Glück gehabt.“
Er schaute sie direkt an, und die Wärme in seinen Augen, die sie sich eingebildet zu haben glaubte, stand jetzt unmissverständlich darin zu lesen. „Glück ist ein relativer Begriff, Fiona. Vielleicht bin ich ja derjenige, der Glück gehabt hat.“
Jamie Gordon hatte lange nicht so viel getrunken wie sein älterer Bruder Peter, und deshalb ging es ihm auch jetzt besser. Vor einem Jahr hatte er beschlossen, das mit dem Whisky vorerst einmal zurückzuschrauben und lieber seine Brieftasche zusammenzuhalten. In einem jähen und seltenen Moment der Selbsterkenntnis hatte er erfasst, dass er auf dem besten Wege war, in einer Sackgasse zu enden. Er hatte sich entschieden, etwas Besseres mit seinem Leben anzufangen.
Und das alles wegen eines Gespenstes.
„Peter, wach endlich auf, Mann!“ Jamie lehnte sich ein Stückchen vor und rüttelte seinen Bruder vorsichtig an dessen Schuhspitze. „Komm schon, werd doch endlich wach, Herrgottnochmal!“
„Oh, halt die Klappe
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