Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)
dahintersteckt, die verstanden die armen Westler gar nicht. In gewissem Sinne war das eine Geheimsprache, die bei uns gepflegt wurde, die durch das Nicht-Dürfen entstanden war.
H ILDEBRANDT: Es gab Dinge, die man eben nur hier wusste. Damit hab ich bei meinem Auftritt in Leipzig auch gespielt. Wir hatten damals im Westen eine Debatte übers Geschwindigkeitslimit. Da habe ich gesagt: »Das ist bei uns eine große Schwierigkeit, bei Ihnen hier in der DDR ist das überhaupt keine Schwierigkeit, denn wie ich an der Grenze gesehen habe, kann man hier nur dreißig fahren. Wenn man schneller fährt, ist das Auto ohnehin kaputt. Wahrscheinlich gibt es Gründe, warum es gerade an der Grenze so ist.« Und da kamen schon die Lacher. Im Westen hätte keiner gewusst, dass die Löcher in der Straße mit Absicht da waren, damit keiner entkommen konnte.
E NSIKAT: Gab es denn auch Stellen, an denen du vorsichtig sein musstest bei euch im freien Westen?
H ILDEBRANDT: Solange wir auf der normalen Bühne standen, nicht. Aber wenn man dasselbe Programm im Radio machen wollte, kamen schon die Bedenken, dass man die eine Gruppe verprellt und die andere nicht. Das war mir aber egal. Ich fand das richtig und das falsch, und das wollte ich auch dort sagen. Im Fernsehen, bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten, war es manchmal schwieriger. Die hatten auch plötzlich Angst, dass wir eventuell Wahlergebnisse vermurksen könnten, was schon sehr komisch war.
E NSIKAT: Deshalb durftet ihr sechs Wochen vor der Wahl keine Satire mehr im Fernsehen machen.
H ILDEBRANDT: Das war es. Einerseits hatten wir riesengroße Einschaltquoten, manchmal so viel wie Kulenkampff. Wenn aber Politiker befragt wurden: »Was sagen Sie dazu?«, dann sagten sie: »Och, diese Spaßmacher spielen doch überhaupt keine Rolle, die verändern doch in diesem Lande nichts.« Wenn aber dieWahlen kamen, haben sie sechs Wochen vorher alle Kabarettsendungen verboten. Worauf man natürlich fragen konnte: »Sie glauben doch nicht, dass wir irgendetwas verändern können in diesem Lande?«
E NSIKAT: Diese Unsicherheit im Umgang mit Satire … In einem gewissen Maß hat es beide Systeme auch verbunden. Nur dass die Bundesrepublik großzügiger sein konnte, weil es da Bananen gab und Kaffee. Wer ökonomisch stark ist, braucht im Grunde genommen keine Zensur. Umgekehrt konnte man von der wirtschaftlichen Situation der DDR darauf schließen, wie streng die Zensur war. 1965 zum Beispiel ging es ziemlich schlecht. Das war genau das Jahr des 11. Plenums, in dem so viele DEFA-Filme verboten wurden. Im »Theater der Freundschaft«, wo ich gerade frisch war, wurde ein ganzer Spielplan umgekippt. Es wurden Bücher verboten. Als es dann irgendwann ökonomisch besser ging, durften die Künstler auch wieder mehr.
H ILDEBRANDT: Aber du kannst doch nicht sagen, dass es der DDR schlechtging. Es war, sagen wir mal, ein Abbrechen des Überholungsvorgangs.
E NSIKAT: Genau. Schlecht ging’s nie. Der Staat hatte sich selbst nur ein wenig heruntergewirtschaftet.
H ILDEBRANDT: Bist du mal verboten worden?
E NSIKAT: Einmal, das Verbot galt allerdings nur für Berlin. Es ging um das Kabarettstück »Wir sind noch nicht davongekommen«, das ich gemeinsam mit WolfgangSchaller aus Dresden geschrieben hatte. Da durften wir in Berlin nicht auftreten und nicht gespielt werden. Mitgeteilt wurde mir das am Telefon von einem Genossen, den ich nicht kannte und der sich nicht vorstellte. 1974 hatte ich schon mal ziemlichen Ärger, nur weil der »Spiegel« einen Text von mir abgedruckt hatte. Ich konnte dann allerdings beweisen, dass ich den Text nicht an den »Spiegel« gegeben hatte, sondern dass es sich offensichtlich um einen heimlichen Vorstellungsmitschnitt handelte. Da war nämlich ein Versprecher der Darstellerin mitgedruckt, über den ich mich schon in der Premiere geärgert hatte.
H ILDEBRANDT: Für Einzelkämpfer wie dich gegenüber diesem kollektiven Staat muss so etwas doch schwierig gewesen sein.
E NSIKAT: Einzelkämpfer war ich ja nur selten. Die großen Kabarettprogramme habe ich mit dem Schaller gemeinsam geschrieben. Keiner von uns beiden wäre in der Lage gewesen, das allein zu machen.
H ILDEBRANDT: Aber gemeinsam schreiben ist doch irrsinnig schwer.
E NSIKAT: Dass zwei Autoren wirklich zusammen schreiben, ist deshalb auch extrem selten. Dass sich da einer den unfertigen Text des anderen vornimmt und weiterschreibt, wer lässt sich das schon gefallen? Aber bei uns ging das wirklich so
Weitere Kostenlose Bücher