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Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Titel: Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ensikat , Dieter Hildebrandt
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weit, dass Schaller Texte zu Ende schrieb, die ich angefangen hatte, und umgekehrt. Es gibt Szenen, von denen wir beide nicht sicher sagenkönnen, von wem da was ist. Auch Lieder sind so – bei uns hieß das »im Kollektiv« – entstanden.
    H ILDEBRANDT: Schwer vorstellbar.
    E NSIKAT: Aber selbst in der Arbeit mit Schaller stand zum Schluss immer ein Kompromiss. Es war einerseits ein großes Glück, dass wir uns gefunden haben, andererseits habe ich mich oft über Schaller geärgert und tue das heute noch manchmal, weil er an meinen genialen Texten herummäkelt, wie ich an seinen natürlich nicht ganz so genialen Texten natürlich auch etwas auszusetzen habe. Wir haben uns in den ersten Jahren unserer Zusammenarbeit so heftig gestritten, dass wir manchmal im Streit auseinandergegangen sind und nicht wussten, ob wir am nächsten Tag noch miteinander reden würden.
    H ILDEBRANDT: Warum wolltet ihr unbedingt zusammen schreiben? Ihr hättet doch auch – jeder für sich – eure Programme fertiggebracht?
    E NSIKAT: Das glaube ich eben nicht. Gerade unsere große Unterschiedlichkeit auch in Geschmacksfragen kam dem Ganzen zugute. Und dann war da der ewige Kampf mit der Zensur – das hätte einer von uns allein, glaube ich, nicht durchgestanden, ohne größere Zugeständnisse zu machen. Wenn einem von uns die Argumente ausgingen, kam der andere zum Zuge. Es war auch oft so, dass einer von uns was aufgeschrieben hatte, wovon er meinte, das müsste mal gesagt werden, aber fürchtete, es nicht durch die Zensur zu kriegen. Dann bestand in der Regel der andere darauf, es wenigstens zu versuchen.
    H ILDEBRANDT: So habt ihr mehr durchbekommen als andere?
    E NSIKAT: Wir hatten natürlich auch das Glück, in Dresden, dem Tal der Ahnungslosen, zu arbeiten. Was dort geschah, drang ja nicht immer bis nach Berlin. Hans Modrow, der Bezirksparteichef, hat sich nach dem einmaligen Besuch der »Herkuleskeule« völlig herausgehalten und seinen Kulturfunktionären das Aufpassen überlassen. Mut brauchten dann die Abnehmer, wenn sie etwas durchgehen ließen.
    H ILDEBRANDT: Die mussten das dann nach oben vertreten?
    E NSIKAT: Natürlich. Wenn es hart auf hart kam, wurden sie in die Wüste geschickt, nicht wir.
    H ILDEBRANDT: Der Mut endete beim Politbüro, bei Hager.
    E NSIKAT: So ungefähr. Besuch aus der Zentrale wurde in Dresden sehr gefürchtet. Ende 1988 wurde unser Programm »Überlebenszeit« von einer unabhängigen Jury nach Berlin eingeladen, zum zweiten Nationalen Theaterfestival der DDR. Kurz bevor es dazu kam, rief mich der Theaterminister im Kulturministerium an, um mich zu fragen, wie man dieses Berlin-Gastspiel verhindern könne. Wenn die Leute im »Großen Haus« – so nannten sie das Zentralkomitee – das Programm zu Gesicht bekämen, würde es voraussichtlich zu einem großen Krach kommen, mit unabsehbaren Folgen für die Dresdner, speziell für Modrow, der so was in seinem Machtbereich geduldet hat. Wir überlegten lange, wie wir die Sache möglichst unauffällig beilegen könnten. Da fiel mir ein, dass für dieselbe Zeit eine Einladung aus München zu einem Gastspiel vorlag. Der Minister atmete auf, und wir spielten das Stück, das in Berlin großen Ärger gemacht hätte, mit großem Erfolg bei euch in München.
    H ILDEBRANDT: Ich erinnere mich. Es war ein sehr schönes Gastspiel.
    E NSIKAT: Übrigens spielte bei den Abnahmen Musik eine große Rolle.
    H ILDEBRANDT: Gesungen muss werden! Und getanzt.
    E NSIKAT: Getanzt und musiziert haben wir immer, wenn eine politisch brisante Pointe kam. Bei der Abnahme haben wir dann einen Tanzschritt eingelegt oder die Musik lauter gemacht, damit der Text vergessen oder nicht gehört wurde.
    H ILDEBRANDT: Wart ihr wirklich der Meinung, die sind so blöd, die merken das nicht?
    E NSIKAT: Also, ich muss sagen, meistens waren sie so blöd.
    H ILDEBRANDT: Das glaub ich nicht. Ich glaub, sie haben euch toleriert. Das magst du nicht gern hören, stimmt’s?
    E NSIKAT: Dass sie uns toleriert haben? Mit dem Niedergang der DDR gab es solche Funktionäre. Am Anfang aber kaum. Als ich in den sechziger Jahren an der»Herkuleskeule«, dem Dresdner Kabarett, anfing, kamen wir als Befehlsempfänger zur Abnahme. Wir wurden wirklich mies behandelt. Ich sollte, obwohl ich nicht in der Partei oder in der Leitung war, bei diesen Gesprächen als »junges Talent« oft zugegen sein, weil es den meisten Ärger gewöhnlich mit meinen Texten gab. Damals wurde nicht lange gefackelt. Da hieß es meist nur –

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