Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)
finde, beides gehört zum Kabarett.
H ILDEBRANDT: Improvisieren erwünscht. Und Saufen erlaubt!
E NSIKAT: Die Sauferei haben sie uns ja laufend unterstellt. Anfangs völlig unberechtigt: Unserem Studentenkabarett, dem »Rat der Spötter«, wurde vorgeworfen, es hätte dort alkoholische und sexuelle Exzesse gegeben. Beides traf leider nicht zu. Als wir unseren Keller selbst ausbauten, haben wir immer mal ein Bier getrunken, wie die richtigen Maurer eben. Das war’s. Aber als ich zum Profikabarett kam, zur »Herkuleskeule«, fanden immer lange Autorensitzungen statt, in denen sehr viel Rotwein getrunken wurde, der scheußlich schmeckte. Weil ihn alle tranken und ich auch ein vollwertiger Autor sein wollte, hab ich mitgetrunken. Unsere Autorensitzungen waren Weinsitzungen.
H ILDEBRANDT: So bist du durchs Kabarett zum Weintrinker geworden.
E NSIKAT: Und das bei dem Wein, »Mavrud« hieß er, ein bulgarisches, sehr saures Zeug.
H ILDEBRANDT: Ich darf sagen: Weder beim Studentenkabarett noch später bei der »Lach- und Schießgesellschaft« haben wir auch nur eine einzige Vorstellung durch Alkohol verloren. Obwohl wir den Alkohol vernichteten, wo wir ihn trafen. 1972 hatten wir eine Tournee in Israel, da wohnten wir für drei Wochen in einem Hotel. Nach der ersten ging in diesem Hotel automatisch der Rotwein aus. Sie sagten, das sei ihnen noch nie passiert. Ein sehr guter Wein aus dem Karmel-Gebirge war das. Aber ich habe nie erlebt, dass ein Kollege wegen des Weins seinen Text nicht wusste. Vielleicht hat mal einer aus Vrssh’n …
E NSIKAT : … einen Konsonanten verschluckt?
H ILDEBRANDT: Kann schon sseinnn, dss in diessm Moment der Text noch präziessr iss’ als nrmal. Da weisssss man ganz genau, wss dahintr steckt.
E NSIKAT: Man konz’ntriert sich dann ganz genau …
H ILDEBRANDT: Und die Vokaaaaaaaale komm’ auch genaaaaauer.
E NSIKAT: Die Vokale gehen. Die Konsonanten sind das Problem.
H ILDEBRANDT: Weshalb man betrunken noch weniger Polnisch sprechen kann als nüchtern.
E NSIKAT: Tschechisch geht auch nicht.
H ILDEBRANDT: Dabei trinken die ja auch.
E NSIKAT: Ja, sie trinken alle, aber dann sprechen sie nicht.
H ILDEBRANDT: Wir waren bei eurem Improvisationsverbot. Dass ich improvisiert habe, das war ja überhaupt mein Nummernschild. Bei meiner ersten regelmäßigen Fernseh-Livesendung, die es jedes Jahr einmal gab, hieß der zuständige Abteilungsleiter Sauer. Vor allem aber war er ängstlich. Er hatte Angst, was da alles passieren konnte. Da habe ich ihm gesagt: »Wir sind Kollegen, und ich möchte nicht, dass Sie in Schwierigkeiten kommen dadurch, dass ich etwas sage, was Sie dann verantworten müssen. Aber wenn es mir einfach auf der Bühne einfällt, kann ich’s Ihnen doch nicht vorher schon gesagt haben. Sie müssen also darauf vertrauen, dass mir nichts einfällt. Und daswollen Sie doch wohl nicht.« Da war er erst verwirrt, und dann hat er gesagt: »Machen Sie doch, was Sie wollen!« Ich darauf: »Das mach ich.« Und das war mein Einstandsgespräch bei der Geschichte.
E NSIKAT: Und dabei blieb es dann?
H ILDEBRANDT: Nur einmal reichte mir jemand einen Zettel rauf, während meines Solos. Da hatte ich auf die Uhr geguckt und festgestellt, dass ich meine Zeit um einundzwanzig Minuten überzogen hatte. Ich sagte: »Um Gottes willen, ich bin ja so was von unkollegial, ich muss aufhören«, da kommt dieser Zettel rauf, auf dem stand, dass einer angerufen habe: »Weitermachen!«
E NSIKAT: Mit dem Überziehen habt ihr ja auch immer gespielt. Wir saßen vorm Bildschirm und freuten uns natürlich darüber.
H ILDEBRANDT: Später war das bei manchen Leuten vorgeschrieben und bei manchen verboten. Gottschalk hatte zum Beispiel die Verpflichtung, zu überziehen bei »Wetten, dass …?«. Er hat teilweise mit Wissen und mit voller Absicht dreißig Minuten überzogen. Das ist jetzt vorbei und beim Kabarett schon lange. Du kriegst sogar Strafe angedroht, wenn du heute überziehst.
E NSIKAT: Erinnerst du dich noch an deinen Auftritt bei uns im »Scharfen Kanal«?
H ILDEBRANDT: Sehr genau!
E NSIKAT: Das war der letzte »Scharfe Kanal« und dererste, der nicht live gesendet werden sollte. Er fand in der Silvesternacht ’91/’92 statt, am letzten Tag des ostdeutschen Fernsehsenders in Adlershof. Der sollte nun besenrein übergeben werden. Da hast du zu mir gesagt, ich könne das unter keinen Umständen akzeptieren, dass wir eine Aufzeichnung machen. Und ich konnte dir nur sagen, wir können’s
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