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Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Titel: Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ensikat , Dieter Hildebrandt
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selbst darauf reingefallen, obwohl ich mich in Finsterwalde bestimmt nicht von den Russen bedroht fühlte.
    H ILDEBRANDT: Bei euch waren sie ja schon.
    E NSIKAT: Eben. Wir im Osten waren im Grunde die Hauptadressaten der »Insulaner«. Der große Erfolg der »Insulaner« hatte übrigens zur Folge, dass man in Ost-Berlin sagte: So was brauchen wir auch. Das war einer der Gründe, weshalb die »Distel« gegründet wurde. Sie sollte das Gleiche tun, was den »Insulanern« mit Erfolg gelang: die eigene Bevölkerung befriedigen und außerdem die auf der anderen Seite überzeugen.
    H ILDEBRANDT: Und wie haben sich die von der neuen »Distel« geschlagen?
    E NSIKAT: Sie hatten hervorragende Texter und auch sehr gute Kabarettisten. Schon mit ihrem ersten Programm haben sie im Grunde den Parteiauftrag nicht erfüllt, sondern wirklich Satire versucht. Natürlich mussten auch diese Westnummern geschrieben und gespielt werden, die gegen den »Klassenfeind« gerichtet waren. Die meisten davon waren nur peinlich. Ich gebe zu, später selbst so was geschrieben zu haben, nicht immer mit schlechtem Gewissen.
    H ILDEBRANDT: Irgendwann wurde ja dann per Order das Kabarett in allen Bezirken verordnet.
    E NSIKAT: Das war erst in den späten siebziger Jahren. Da gab’s einen Beschluss des Ministerrates der DDR, dass in jeder Bezirksstadt ein Kabarett zu gründen sei. Egal, ob sie Darsteller, Autoren oder ein Haus hatten. Und dann gab es noch ein riesiges Reservoir an Amateurkabaretts. Zum Teil waren sie besser als die Berufskabaretts.
    H ILDEBRANDT: War das auch zentral gesteuert? Stahlund Walzwerk Hennigsdorf kriegt einen Kampfauftrag und gründet das Kabarett »Roter Schmelzer«?
    E NSIKAT: Ich weiß das nicht, ich weiß nur, dass es viele davon gab und dass viele von ihnen immer mal bei mir angefragt haben, ob sie den einen oder den anderen Text nachspielen dürften.
    H ILDEBRANDT: Haben die das dann bezahlt?
    E NSIKAT: Ich hab von Amateuren nie Geld verlangt. Viele von ihnen haben auch gar nicht gefragt, sonderneinfach nachgespielt. Die machten das doch auch nicht für Geld, bekamen allerdings oft von ihrem Betrieb finanzielle Unterstützung. In der DDR hatte nämlich jeder Betrieb einen Kulturfonds, und der musste ja irgendwie ausgegeben werden. Insgesamt soll es um die fünfhundert Amateurkabaretts gegeben haben.
    H ILDEBRANDT: Dacht ich’s doch – da gab’s auch eine genaue Planziffer!
    E NSIKAT: Die Zahl war die Erfindung einer Mitarbeiterin im Kulturministerium. Beate Herrmann heißt sie, und die hat da in ihrem Ministerium immer versucht, Gutes herauszuholen für uns Kabarettisten.
    H ILDEBRANDT: Worin bestand das Gute, das sie für euch herausholte?
    E NSIKAT: Das war zum Beispiel eine Dringlichkeitsbescheinigung für einen Telefonanschluss, auf den man viele Jahre warten musste.
    H ILDEBRANDT: Und mit Dringlichkeitsbescheinigung bekam man den Anschluss sofort?
    E NSIKAT: Keine Spur. So eine Bescheinigung hatte ja fast jeder. Aber mit so einem Papier hatte man kurzfristig die Hoffnung, dass es vielleicht doch mal klappen könnte. Als ich Beate Herrmann fragte, woher die Zahl fünfhundert käme, sagte sie grinsend: »Von mir. Der Minister wollte wissen, wie viele Gruppen es gibt, da hab ich ihm einfach gesagt: Fünfhundert, und seitdem gibt es fünfhundert Amateurkabaretts in derDDR.« Wie viele es wirklich gab, wusste kein Mensch. Solche Gruppen haben sich doch dauernd wieder aufgelöst und neu gegründet.
    H ILDEBRANDT: Und da gab es wirklich kein Plansoll?
    E NSIKAT: Nein, Dieter. Kabarett jedenfalls war in der DDR so beliebt, dass sich selbst die Nationale Volksarmee ein eigenes geleistet hat – »Die Kneifzange«. Die gibt es, glaube ich, heute noch, obwohl es die dazugehörige Armee längst nicht mehr gibt.
    H ILDEBRANDT: Umgekehrt wär’s weniger schön. Weißt du, was ich in der »Distel« sehr lustig fand? Als ich dort zum ersten Mal auftrat, nach dem Mauerfall war das, da stand ich hinter der Bühne, guck so nach rechts, und da hing noch das alte Schild »Improvisieren verboten!« Ich bin rausgegangen und habe dem Publikum gesagt, dass dieses Schild da hängt. Das war wunderbar. Das Publikum hat sich wahnsinnig amüsiert und hat’s nicht geglaubt.
    E NSIKAT: Das war ja für mich der Grund, dass ich 1983 von der »Distel« weggegangen bin. Weil da am Schwarzen Brett eben dieser Zettel hing: »Improvisation und Alkoholgenuss sind während der Vorstellung verboten.« Da wusste ich: Ich bin hier falsch. Denn ich

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