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Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Titel: Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ensikat , Dieter Hildebrandt
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nicht ändern. Sonst kommt die Sendung gar nicht. Worauf wir dann abgesprochen haben, dass dein Solo am Schluss der Sendung sein sollte und dass ich hinten, am Inspizientenpult, mit der Uhr stehe und dir genau eine Minute, bevor die sechzig vorbei sind, ein Zeichen gebe, dass du aufhören musst. Dann konnten wir alle noch mal schnell rauskommen, um das Schlusslied zu singen. Es hat alles gepasst, und es gab keine Möglichkeit, irgendwas rauszuschneiden.
    H ILDEBRANDT: Das war eine gute Sendung.
    E NSIKAT: Die letzte des DDR-Fernsehens, obwohl es die DDR seit über einem Jahr nicht mehr gab. Danach kamen nur noch die Silvesterknaller.

MARKT UND MÄRCHEN

    E NSIKAT: Weißt du noch, wie wir uns kennengelernt haben?
    H ILDEBRANDT: Keine Ahnung. Erzähl’s mir!
    E NSIKAT: Ich erinnere mich genau. Es war in Leipzig, 1987. Ich saß in dem Hotel gegenüber vom Hauptbahnhof. Und ich höre hinter mir eine wohlbekannte Stimme, diese Stimme aus dem Fernsehen, und die sagte: »Da sitzt doch der Peter Ensikat.«
    H ILDEBRANDT: Ich war der Mann aus dem Fernsehen?
    E NSIKAT: Aber ja. Ich fühlte mich geradezu geadelt. Dass du mich von hinten erkannt hast, obwohl du mich von vorn noch nie gesehen hattest. Du kamst mit Werner Schneyder ins Hotel, und wir haben sofort da zusammengesessen und haben uns über die Umweltsituation in Leipzig unterhalten. Denn es hatte geschneit, und es fiel sofort dieser schwarze Staub darauf.
    H ILDEBRANDT: Daran erinnere ich mich. Es stank so fürchterlich nach Braunkohle. Draußen waren es dreiundzwanzig Grad minus, und im Hotel waren die Heizungen voll aufgedreht. Damit es in den Zimmern nicht nach Braunkohle stinkt, haben sie sie alle mitDesinfektionsmittel vollgesprüht, so dass es direkt nach Scheiße roch. Direkt, ohne Übergang. Nicht nach Ruß, sondern gleich nach Scheiße.
    E NSIKAT: Oh, was hab ich mich geschämt für diese DDR. Und da kommt ihr nun und sprecht über all das, wofür man sich schämen musste.
    H ILDEBRANDT: Wenn du dann noch diese Funktionäre erlebt hättest, die uns überallhin begleiteten, dann hättest du erst Grund zur Scham gehabt. Die haben uns doch nicht aus den Augen gelassen. Immerzu mussten wir irgendwas besichtigen, und sie waren immer mit dabei. Auch den Bahnhof mussten wir besichtigen, obwohl wir den inzwischen sehr gut kannten. Da hab ich den einen gefragt: »Sagen Sie, ist es wahr, dass dieser Bahnhof demnächst abgerissen wird, weil drunter Braunkohle gefunden wurde?« Da hat der sehr ernst geantwortet, nein, das sei nicht so. Der hat nichts kapiert, und ich hab mir gedacht: Du lieber Freund, was hast du mit uns zu tun? Gar nichts!
    E NSIKAT: Und dann hattet ihr eure Vorstellung im »Academixer«-Keller vor uns DDR-Kabarettisten. Wir hatten untereinander ja ein quasi familiäres Verhältnis. Wir hatten den gemeinsamen Feind, die Zensur, der schmiedete uns zusammen. Und da kamt ihr rüber, und ihr wart uns sofort sehr vertraut. Wie alte Freunde.
    H ILDEBRANDT: Uns ging das ähnlich.
    E NSIKAT: Als die Vorstellung zu Ende war und wir uns trafen und feierten, habe ich euch übrigens etwasvorgeworfen, was mir heute eher peinlich ist: »Ihr hättet schärfer sein müssen!« Ich fand, dass ihr im Grunde nichts anderes gesagt habt, als wir auch sagten. Bloß, ihr durftet’s eben klarer sagen. Da habe ich mich gefragt, warum ihr nicht noch härter seid. Da sagtest du: »Ich schlage doch nicht die Tür zu, in die ich gerade einen Fuß gesetzt habe.« Das hat mir eingeleuchtet.
    H ILDEBRANDT: Das erste Mal, dass wir zusammen auf einer Bühne standen, das war drei Jahre später …
    E NSIKAT : … in Bonn. Juni 1989! Wir kamen zu dritt aus dem Osten, und zwei von uns waren IM.
    H ILDEBRANDT: Das war der Pianist aus Potsdam …
    E NSIKAT : … und Gigi Oechelhaeuser. Aber davon hab ich nichts geahnt. Ich war irrsinnig aufgeregt: Ich machte jetzt Kabarett im Westen! In unser gemeinsames Entree, hatte ich reingeschrieben, dass wir beide denselben Beruf in unterschiedlichen Systemen ausüben, nämlich: Nestbeschmutzer. Das haben sie in den »Tagesthemen« gezeigt, und der Genosse Hager in Berlin hat es gesehen. Daraufhin bestellte er mich ein.
    H ILDEBRANDT: Kurt Hager vom Politbüro?
    E NSIKAT: Genau der. Zu dem Gespräch konnte ich aber nicht, weil ich am nächsten Tag nach Algerien flog, wo ich Kindertheater machte. Als ich zurück war, vierzehn Tage später, rufe ich im Kulturministerium an und sage, dass ich das Gespräch jetzt gerne führen würde. Da heißt es:

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