Wie ich Brad Pitt entführte
Spekulationen über Tom habe ich jetzt wirklich keine Lust!
Mannomann, Anzeigen von Prostituierten gibt es auf nicht weniger als drei kleingedruckten Seiten. Wahrscheinlich eine genauso krisenfeste Beschäftigung wie die übersinnliche und praktische Lebenshilfe. Die Wahrsager und Wunderheiler bringen es immerhin auf zwei ganze Seiten mit Angeboten aller Art. Da gibt es Kartenleger, Kaffeesatzdeuter, ein Tarotatelier, Handleser, Schwarze Magie, spirituelle Beratung, Parapsychologen, Reiki, Hellseher und eine Schamanin. Mir raucht schon jetzt der Kopf. Nach welchen Kriterien soll ich denn jetzt den oder die Richtige für mich aussuchen?
»Einen ›Boulevard‹?«, unterbricht die Dame an der Kasse etwas mürrisch meine Gedanken. Ich nicke mechanisch und krame nach der Zwei-Euro-Münze in meiner Tasche. Als ich das Restgeld in Empfang nehmen will, blickt mich die Kassiererin zum ersten Mal direkt an. Sie stutzt, mustert mich von Kopf bis Fuß und starrt mir dann unverwandt eine ganze Weile ins Gesicht. So lange, dass ich mich zu einem lockeren »Alles okay?« gezwungen sehe, um diesem Spektakel ein Ende zu setzen. Prompt senkt sie ihren Röntgenblick, schaut in ihre eigene Hand, erinnert sich an das Restgeld und reicht es mir, ohne mich eines weiteren Blicks zu würdigen. Sonderbar. Es gibt doch mehr komische Leute, als man gemeinhin annehmen möchte.
Schließlich stehe ich auf dem Bahnhofsvorplatz und wähle die Nummer der Schamanin Ursula. Vorher hatte ich mich mit dem »Boulevard« in ein Internetcafé verzogen und mich schlaugemacht. In meinem bisherigen Leben hatte ich nämlich – man mag es kaum glauben – mit Mystik, Geisterbekämpfung und solchem Zeugs weniger am Hut. Schließlich hatte ich ja Psychosen-Meyer zum Reden. Schicksal, dass er ausgerechnet in dem Moment, wo ich wirklich mal jemanden zum Quatschen bräuchte, aus meinem Leben verschwindet.
Aber zurück zu meiner Recherche. »Reiki« ist zum Beispiel ein Fremdwort für mich, das ich nachschlagen muss. Jetzt staune ich nicht schlecht, was das Internet alles über »Kundalini-Reiki« weiß. Wer hätte denn vermutet, dass – und ich zitiere hier wörtlich –
»bei uns allen die Kundalini-Energie in der Form einer Schlange am unteren Ende unserer Wirbelsäule ruht. Auf Grund von Chakrablockaden ist sie jedoch bei den meisten inaktiv.«
Na dann, danke schön, liebe Chakrablockaden, was immer ihr auch sein möget. Ich finde es irgendwie sehr beruhigend, dass meine innere Schlange nicht aktiv ist. Wer braucht denn so was? Kundalini-Reiki soll diese gesegneten Blockaden lösen und scheidet bei mir deshalb von vornherein aus. Ebenso wie Astrologie,
»die dir hilft, deine Mitmenschen und deine Lebenssituation zu verstehen ...«
Ich will schließlich meine miese »Lebenssituation« nicht
verstehen
, sondern
verändern
. Aber wiederum nicht mit solchen brachialen Methoden, wie ich sie hinter der schwarzen Magie vermute. Ich habe panische Angst davor, dass ich Max beim Einstechen von irgendwelchen Voodoo-Puppen ernsthaft verletzen könnte. Tarotkarten und Kaffeesatz erscheinen mir dagegen irgendwie zu banal, um meine Probleme zu lösen. Ergo bleibt noch die Schamanin Ursula, die laut Eigenwerbung mit hilfreichen Naturgeistern in Verbindung steht.
Gegen die Zahlung einer »Dringlichkeitsgebühr« von dreihundert Euro, die noch zusätzlich zu der normalen Rate von hundertfünfzig Euro pro Stunde in bar zu entrichten ist, hat die Schamanin tatsächlich sofort für mich Zeit.
Ich erreiche ihre Adresse in einem Taxi, dessen persischer Fahrer offenbar genau weiß, zu wem er mich da hinkarrt. Er wünscht mir beim Aussteigen herzhaft »Viel Glück! Und nich’ kleinkriegen lassen!« Zum Abschied zwinkert er mir noch mal aufmunternd zu. Ich weiß auch nicht, warum unsere ausländischen Mitbürger/innen immer so viel freundlicher als die einheimischen sind. Genetisch bedingt? An der unterschiedlichen Sonneneinstrahlung kann das ja nicht liegen, wenn wir alle hier leben.
Ich betrete das Gebäude, in dem die Schamanin lebt, durch die nicht abgeschlossene Eingangstür und steige auf ausgetretenen Steinstufen die Treppe bis in den dritten Stock hoch.
»Liebert« steht an der Wohnung der Schamanin. Ich klopfe vorsichtig gegen die Tür, denn die Klingel scheint nicht zu funktionieren.
[home]
76.
M it geschlossenen Augen lagen sich Blitzi und Kasi in den Armen. Blitzi war zu Kasis Galerie gefahren und hatte die ganze Sache mit ihm besprochen. Kasi hatte
Weitere Kostenlose Bücher