Wie ich Brad Pitt entführte
was hieß hier eigentlich Ex-Freund? Die waren doch garantiert noch zusammen, oder? Und sie fragte sich nicht zum ersten Mal, wie Max nur in so etwas reingeraten konnte. Auf der anderen Seite hatte der ja auch noch seine Melanie am Hals und nahm es mit der Treue offenbar auch nicht so genau. Wer wusste schon, was in anderer Leute Köpfen so abging. Plötzlich musste Nicole an die verzweifelte Frau Mehlmann-Larsen denken. Das Pärchen hatte auch ihr auf übelste Weise mitgespielt. Die Arme.
Im Revier angekommen, schnappte sie sich Tim und zog ihn konspirativ in den Gott sei Dank immer noch leer stehenden Aufenthaltsraum. Dort weihte sie ihn in ihre neuesten Erkenntnisse ein. Das war zwar etwas riskant, aber sie konnte unmöglich die ganze Sache mutterseelenalleine durchziehen.
Tim starrte sie mit vor Schreck geweiteten Augen an. »Und du willst Petersen und Max wirklich nicht über dieses geplante Überfallkommando informieren?«, fragte er entgeistert.
»Nein.« In Wirklichkeit fühlte Nicole sich nicht halb so sicher, wie sie sich gab, aber sie würde nicht noch einmal vor Petersen kuschen. Ihm nicht noch einmal die Möglichkeit geben, einer Aktion zuzustimmen und ihr dann einen reinzuwürgen, wenn selbige schief lief. Nein, diesmal ging alles auf ihre Kappe. Entweder sie würde befördert oder gefeuert werden. Top oder Flop. Sekt oder Selters. Das würde sich jetzt bald entscheiden.
»Ist Max überhaupt noch hier?«, wollte sie von Tim wissen.
»Er ist vor einer halben Stunde abgehauen.«
»Und, hast du nachgeprüft, mit wem er telefoniert hat?«
»Ja. Mit einem Psychiater. Einem gewissen Dr. Meyer.«
Nicole nickte. »Da, das passt doch. Sie ist einfach nicht ganz richtig im Kopf, die gute Victoria.«
»Und was willst du jetzt machen?«
»Nicht ich, sondern wir werden jetzt …« Nicole hielt mitten im Satz an, denn in dieser Sekunde steckte ihr Kollege Martin den Kopf zur Tür rein.
»Ach, Tim, hier steckst du. Ich kann Max nicht erreichen, aber du musst dir unbedingt anschauen, was gerade im Fernsehen gezeigt wird.« Martin blickte sie sensationslüstern an. »Das wird euch umhauen! Garantiert!«
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79.
Montag, 12.55 Uhr
N achdem mein Portemonnaie durch das Schamanensalär bereits über Gebühr belastet ist, entscheide ich mich auf der Rückfahrt, es doch mal mit der KVB zu versuchen und das Taxigeld zu sparen. Natürlich lande ich prompt im falschen Bus und fahre fast bis nach Bocklemünd, bevor ich es bemerke und wieder aussteige. Ein Teenagermädchen mit gepiercter Zunge und viel zu viel schwarzem Eyeliner informiert mich übellaunig, dass die Straßenbahn mit der Nummer 4 bis zum Neumarkt – also in meine Richtung – fährt. Glücklicherweise wartet gerade eine Nummer 4 auf der gegenüberliegenden Seite, und ich springe schnell, wenn auch fahrscheinlos, hinein.
Eine Fahrt mit der KVB ist äußerst lehrreich. Jedem, der wie ich mal dringend einen »Reality Check« braucht, ist sie wärmstens zu empfehlen. Nehmen wir mal beispielsweise diese ausgezehrte junge Mutter in Billigjeans, die gerade zugestiegen ist. Sie zieht gleichmütig zwei rotzverschmierte, plärrende Kleinkinder hinter sich her und trägt dabei noch vier randvolle, sauschwer aussehende Aldi-Tüten. Niemand steht in der voll besetzten Bahn für sie auf. Als ich ihr meinen Platz anbiete, lehnt sie ihn mit einem verbissenen Lächeln auf die Kinder ab. Ob sie wirklich Verständnis für mein bisschen Liebeskummer mit Max hätte? Oder diese vier finster dreinblickenden Halbstarken in abgewetzten Kunstlederjacken, die an einem ganz normalen Montagnachmittag bereits nach Bier stinken und deren Zukunft wahrscheinlich nicht gerade rosig aussieht? Würden die nicht gerne mit mir tauschen? Neurosen und Porsche inklusive?
Neben mir sitzt eine kleine alte Frau, die mit gesenktem Blick ihre Handtasche umklammert. Wahrscheinlich hat sie Angst vor mir. Mein Blick fällt auf ihre blau geäderten, abgearbeiteten Hände, und auf einmal werde ich ziemlich wütend auf mich selbst. Was bin ich bloß für ein egoistisches Miststück? Da lebe ich wie im sprichwörtlichen Paradies und habe nichts Besseres zu tun, als mich pausenlos in meinem eigenen Selbstmitleid zu ertränken. Pfui Teufel, da ekelt es mich ja vor mir selbst!
Aber von nun an wird sich das ändern. Ab jetzt denke ich mal ein bisschen weniger an mich selbst und mehr an andere, die’s nötiger haben. Ob ich alte einsame Leute im Krankenhaus besuchen sollte? Ein paar
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