Wie ich Brad Pitt entführte
mich um meine gesamten Entführungsutensilien kümmern. Genau! Bloß nicht das Chloroform vergessen!
Als ich mein Schlafzimmer betrete, streiten Linda und Tom schon wieder aus Leibeskräften miteinander. Sie hatte ein schlechtes Gewissen gehabt, dass sie mich gestern Nacht einfach so sang- und klanglos mit Tom allein gelassen hatte, und war bereits gegen zehn Uhr per Zweitschlüssel wieder in meiner Wohnung eingetroffen. Irgendwie bin ich sehr erleichtert, dass die Zankerei mit Tom sie zu sehr ablenkt, um mich nach meinem Verbleib auszuquetschen.
»Weißt du, wie ich so jemanden nennen würde?«, meint Linda spöttisch mit gerümpfter Nase. »Männliche Hure«, gibt sie sich selbst zur Antwort.
»Du hast eben keine Ahnung, wie wahre Schauspielkunst nach Lee Strasberg geht«, erwidert Tom ungerührt.
Linda dreht sich zu mir um, gerade als ich den heute Morgen verfassten Abschiedsbrief an sie dezent in meiner Jeanstasche verschwinden lasse. Wenigstens bin ich hier nicht vermisst worden! Sonst hätte das bestimmt ein Donnerwetter gegeben.
»Vicki, wusstest du, dass unser lieber Herr Schneider hier aus Gründen der
Authentizität
…«, Linda lässt sich das Wort auf der Zunge zergehen, bevor sie weiterspricht, »… bei Kussszenen seinen Schauspielkolleginnen tatsächlich die Zunge in den Hals steckt? Das grenzt ja fast schon an Vergewaltigung.«
Tom grinst. »Bisher hat sich noch keine beschwert. Oder, was meinst du, Vicki, bin ich der weltbeste Küsser?«
Linda stiert ihn an. »Sie hat dich geküsst, um an die Knarre ranzukommen, checkst du das nicht, du Doofmann?«
Tom blinzelt mich verschwörerisch an. »War aber trotzdem gut, was?«
So würdevoll wie möglich – schließlich hatte ich Wichtigeres zu tun, als mir über Qualität und Empfängerinnen von Toms Küssen den Kopf zu zerbrechen – wende ich mich an Linda.
»Hast du den Rechtsanwalt erreicht?«
Linda schüttelt bedauernd den Kopf. »Übers Wochenende verreist, aber er ruft mich bestimmt Montag früh zurück.«
Ich nicke zustimmend mit dem Kopf und verschwinde im Ankleidezimmer. Genau in diesem Moment klingelt das Telefon. Unwirsch haste ich zurück ins nebenan liegende Schlafzimmer und nehme den Hörer ab: »Leenders?«
»Hallo Vicki-Maus!«, ruft jemand extrem enthusiastisch am anderen Ende der Leitung. Ich kenne diese Stimme. Sie gehört Stefan, meinem Ex.
»Was willst du, Stefan?«, frage ich nicht besonders freundlich. Ich verstehe nicht, wie manche Leute nach einer gescheiterten Beziehung trotzdem miteinander befreundet bleiben können. Das ist doch irgendwie widernatürlich. Eben lag man noch zusammen im Bett und hat unaussprechliche Dinge mit dem Körper der gegnerischen Partei getrieben, und dann schüttelte man höflich lächelnd die Hand seiner Neuen? Ich weiß nicht.
»Ähm, ich hatte dir ein E-Mail geschickt.«
»Habe ich bekommen.«
»Und?«
»Und was?«
»Na, gehen wir zwei wieder einmal miteinander aus?«
»Ich weiß nicht, Stefan. Ich halte das nicht für eine gute Idee.«
»Vicki, du fehlst mir.«
Was antwortet man denn auf so etwas? »Du mir nicht« ist ja wohl nicht ganz passend.
»Vicki?«
»Ja, Stefan?«
»Bitte.«
»Stefan, ich bin gerade beschäftigt. Ich ruf dich morgen an.« Genau das war die Lösung: Wir vertagen das Problem.
»Versprochen?«
»Klar. Tschüüüß!«
Ich lege auf und eile wieder ins Ankleidezimmer. Linda, die mir gefolgt ist, schaut nun ungläubig zu, wie ich methodisch Skimütze, schwarze Jeans, schwarzen Pulli und das Chloroform in einem grauen Müllsack verstaue.
»Die Polizei war schon hier, und du hast das Zeugs immer noch nicht verschwinden lassen?«
Ich zucke mit den Schultern. »Ich war anderweitig beschäftigt.«
»Und das Chloroform? Wie bist du eigentlich da dran gekommen?«, will sie misstrauisch wissen.
»Kein Kommentar«, erwidere ich schnippisch. Ich brauche selbst meiner besten Freundin nicht alles auf das spitze Näschen zu binden. Und ganz besonders nicht, wenn ich das Betäubungsmittel tatsächlich aus ihrer Arzttasche stibitzt hatte. Linda will es offenbar auch lieber nicht so genau wissen und gibt sich mit meiner Antwort zufrieden. Dann sagt sie schon wieder etwas versöhnlicher: »Brauchst du Hilfe mit dem Zeugs hier?«
Ich schüttele den Kopf. In diesem Augenblick trudelt auch Tom im Ankleidezimmer ein.
»Sagt mal, ihr Bräute, gibt’s denn heute überhaupt nichts zu essen?«
Linda und ich tauschen einen bedeutungsschwangeren Blick. Dann schließe ich
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