Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie ich mir das Glück vorstelle

Wie ich mir das Glück vorstelle

Titel: Wie ich mir das Glück vorstelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Kordić
Vom Netzwerk:
Bruder und ich schlafen im Wohnzimmer auf dem Boden. Wir bekommen viele Kissen und Decken.
    Die Kinder sagen: Es ist sehr gemütlich hier.
    Der Opa, der Onkel und die Tante schlafen auch im Wohnzimmer. Die bekommen das Sofa. Links von mir liegen der Bruder und der Cousin. Die sprechen über die Panzer. Rechts von mir liegen die zwei Cousinen. Die fassen mich immer an und kitzeln mich.
    Alle schlafen. Ich zähle, wie oft der Onkel schnarcht. Ich schlafe aber nicht ein. Also stehe ich auf und gehe in die Küche. Ich nehme mir ein Glas und trinke Wasser. Ich trinke noch ein Glas Wasser. Ich gehe kurz strullen. Ich gehe ins Schlafzimmer. Eins von den Babys ist auch wach, das kann ich genau sehen. Es guckt mich an. Ich gehe weiter zu meinem Bett, wo jetzt die Oma drinliegt. Die liegt auf dem Rücken und ihr Gesicht sieht aus, wie wenn sie lacht. Zum ersten Mal in meinem Leben sehe ich die Oma ohne Kopftuch. Die Oma hat lange silberne Haare und einen Zopf wie die Mädchen manchmal. Vor dem Bett liegt der Umschlag mit den Fotos. Ich setze mich aufs Bett und gucke die Oma an. So lange, bis es draußen schon wieder hell ist. Die Oma bewegt sich gar nicht im Schlaf. Die Sonne scheint ins Zimmer und ihre Haare glitzern. Die Stirn ist ganz weich und hat zwei Falten von oben nach unten. Die Oma macht die Augen auf und wir gucken uns an. Die Oma hebt die Decke hoch und ich lege mich auch ins Bett. Die Oma riecht wie eine Kuh. Ich schlafe sofort ein. Ich träume von den Schweinen, die alles fressen, was ich für die in den Trog schmeiße.
    Es macht einen lauten Knall und ich wache auf. Die Oma ist nicht mehr im Bett. Die Cousinen knien vor dem Schrank und halten die Hände hoch wie die Feinde im Fernsehen. Die Tante steht hinter denen und schlägt sie mit dem Gürtel.
    Die Tante ruft: Und glaubt bloß nicht, dass jemand Mitleid mit euch hat! Kniet euch wieder hin!
    Die Cousinen weinen ganz leise und sagen: Lass uns, Mutter, lass uns, bitte, bitte, lass uns, Mutter!
    Ich liege im Bett und gucke zu. Die Tante dreht sich nicht zu mir um. Sie peitscht die Cousinen mit dem Gürtel. Die Mutter kommt und nimmt mich mit in die Toilette. Sie macht mir die Rückenspinne ab.
    Ich frage: Wo ist denn die Oma?
    Die Mutter sagt: Die Oma macht Teigschnecken.
    Die Mutter cremt mich ein und macht mir das Tuch auf den Rücken und schnallt mir die Rückenspinne wieder um. Sie zieht mich an. Ich gehe in die Küche.
    Die Oma sagt: Wie hast du geschlafen?
    Ich sage: Ich schlafe gut in meinem Bett.
    Die Oma sagt: Du hast ein sehr gemütliches Bett.
    Ich setze mich auf einen Stuhl und gucke, was die Oma auf dem Küchentisch macht. Sie streut Kartoffelstücke und zerquetschten Käse auf einen Teig und rollt den Teig zu einer Wurst. Dann formt sie die Wurst zu einer Schnecke und legt sie auf ein Blech. Da liegen schon eine ganze Menge von den Schnecken.
    Ich frage die Oma: Darf ich mitmachen?
    Die Oma sagt: Du kannst doch noch nicht mal eine Schleife binden, guck mal, was du für Schuhe anhast, immer diese Kinderschuhe.
    Ich gucke unter den Tisch zu meinen Füßen runter. Ich habe Turnschuhe an, die ich mit drei Laschen zudrücken kann.
    Ich sage: Ich will Schuhe binden können, zeig es mir.
    Die Oma wäscht sich kurz die Hände und holt dann eine lange Schnur aus dem Nähkasten im Wohnzimmer. Sie zerschneidet die Schnur und hat jetzt zwei Schnüre. Eine bindet sie um den Stuhl neben mir zu einer Schleife, die andere Schnur gibt sie mir.
    Die Oma sagt: Versuch einfach auch so eine Schleife an den Stuhl zu binden. Mach das, bis dein Knoten so aussieht wie bei meiner Schleife.
    Ich versuche das dreimal und dann kann ich Schleifen binden. Die Oma lässt mich jetzt mitmachen. Eine Teigschnecke machen wir zusammen. Die letzte darf ich allein machen.
    Wir bekommen Besuch. Ich bin den ganzen Tag mit der Oma in der Küche und mache Teigschnecken. Da kommen Menschen mit Videokameras und ich bin so sehr mit Backen beschäftigt, dass ich gar nicht richtig mitbekomme, wie die den Film drehen. Aber dann sitzen wir ein paar Tage später alle zusammen vor dem Fernseher und gucken uns den an.
    Zuerst siehst du die Baracken und eine Stimme sagt: Der Große Kampf in den Dörfern hat einfache Bauern in die Stadt getrieben, sechzehn Personen wohnen hier in zwei Zimmern, Frauen und Kinder sind vor dem Wahnsinn des Großen Kampfes geflohen und im Wahnsinn der Enge gestrandet. Wir sind mit ihnen verabredet.
    Dann kannst du die Mutter sehen, wie die unten die Haustür aufmacht.

Weitere Kostenlose Bücher