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Wie ich mir das Glück vorstelle

Wie ich mir das Glück vorstelle

Titel: Wie ich mir das Glück vorstelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Kordić
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Sonst macht die Mutter die Tür immer mit dem Knopf von der Wohnung aus auf. Das Bild geht an der Mutter vorbei und dann ist das Bild schon bei uns im Wohnzimmer. Da sitzen die Frauen auf dem Sofa und die haben die Kinder auf dem Schoß und halten die Babys im Arm.
    Sie sagen: Unsere Männer kämpfen, aus unseren Häusern mussten wir raus, wir wissen nicht, wo unsere Männer sind, wir wissen nicht, ob sie noch leben.
    Meine Tanten weinen. Meine Cousinen weinen. Die Babys weinen auch alle.
    Die Frauen sagen: Was sollen wir unseren Kindern sagen? Schauen Sie sich unsere Kinder an, sie müssen aufwachsen ohne ein Zuhause, ohne Vater. Was sollen wir ihnen sagen?
    Die Stimme, von dem, den du nicht siehst, sagt: Die Familie hat keine andere Wahl, im Wohnzimmer wurde ein Schlaflager für die Kinder errichtet, die Großmutter hat die Küche übernommen.
    Du siehst die Oma, wie die auf dem Schemel sitzt und Kartoffeln schält und die Schalen in ihren Rock schnippelt und die Kartoffeln in einen Topf vor sich auf den Boden wirft. Sie guckt dich nicht an.
    Sie sagt: Ich hätte denen gleich sagen können, dass das nichts wird. Wer sich bei großer Hitze im Wald eine Zigarette anzündet, muss damit rechnen, dass er selbst anfängt zu brennen.
    Die Oma lacht. Dann kannst du ganz kurz den Jungen sehen, wie der unter dem Schemel hervorguckt. Aber das sieht keiner. Auch du nicht. Weil der Rock von der Oma hängt da drüber. Nur ich sehe das, weil ich weiß, dass der Junge dort unter dem Schemel liegt und ganz genau zuhört, was der Mann für Fragen stellt und was die Oma antwortet. Ich merke mir das alles.
    Im Film kannst du jetzt sehen, wie die Mutter das Bild aus der Wohnung verabschiedet und einen schönen Tag wünscht. Im Rest vom Film spielt keiner mehr mit aus der Familie.
    Die Stimme sagt: Dieser Stadt droht das gleiche Schicksal wie den Dörfern, mit jedem Flüchtling, der neu hinzuzieht, steigt die Gefahr, dass das Fass überläuft, die Flüchtlinge bringen das Trauma des Großen Kampfes mit in die Stadt, sie spalten sie.
    Dann siehst du Menschen, die schon immer in der Stadt wohnen.
    Die sagen: Die Flüchtlinge verderben das Klima in unserer Stadt, sie wissen nicht, was es bedeutet, in dieser Stadt aufgewachsen zu sein, wir leben alle am Fluss und dieser Fluss, er verbindet uns, genauso wie die alte Brücke uns verbindet.
    Weiter gucke ich den Film nicht. Weil es gibt da eine Frage, die ich dir jetzt endlich stellen will. Hast du schon mal einen Geist gesehen? Wenn da ein Geist ist, weißt du nicht, wer das wirklich ist. Es kann sogar sein, dass du den Geist nicht mal sehen kannst. Das können nämlich nicht alle. Der dicke Dim kann Geister sehen. Aber selbst wenn du auch zu denen gehörst, die Geister sehen können, weißt du trotzdem nicht, wer der Geist wirklich ist. Ich kann dir das erklären.
    Die Cousinen wollen, dass ich mit denen auf die Toilette gehe. Da nehmen die sich was von der Schminke aus dem Spiegelschrank. Die malen mir das Gesicht ganz weiß an und dann ziehen die mir noch einen weißen Regenkittel über. Jetzt bin ich ein Geist. Der Onkel steht plötzlich im Flur und gibt allen Kindern Geld für ein Eis. Alle gehen runter zum Kiosk. Aber ich bleibe bei der Oma. Ich gehe in die Küche und die Oma macht sich Essen warm. Ich habe richtig Hunger. Ich setze mich schon mal hin.
    Die Oma sagt: Wen haben wir denn da sitzen?
    Ich halte die Klappe und sage gar nichts. Die Oma macht sich Suppe auf den Teller und fängt an zu essen.
    Ich sage: Ich habe auch Hunger.
    Die Oma macht mir nichts auf den Teller.
    Ich sage noch einmal: Ich habe auch Hunger.
    Die Oma sagt: Da sitzt ja ein Geist am Tisch.
    Die Oma löffelt weiter ihre Suppe und macht mir aber nichts auf den Teller.
    Die Oma sagt: Was Geister wohl essen?
    Ich sage: Oma, ich bin’s.
    Aber die Oma löffelt einfach weiter ihre Suppe und ist jetzt sogar schon fertig. Die Oma steht auf und wäscht ihren Teller ab. Die summt ein Lied.
    Ich sage: Oma, ich bin’s doch.
    Jetzt räumt die Oma schon das Geschirr in den Schrank.
    Ich sage: Oma! Ich bin’s, dein Viktor!
    Und da merke ich erst, dass die Oma mich gar nicht richtig sehen kann. Die hört auch gar nichts von dem, was ich da sage. Ich gehe schnell raus aus der Küche und ziehe den Regenkittel aus und schrubbe mir in der Toilette das Gesicht sauber.
    Als ich wieder zurück in die Küche komme, stellt mir die Oma einen Teller Suppe hin und sagt: Viktor, da bist du ja.
    Am nächsten Tag ist auch der Vater wieder

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