Wie ich mir das Glück vorstelle
wir vielleicht noch mal irgendwann benutzen können.
Mit dem Schlauch aus dem Reifen von der Schubkarre baue ich eine Steinschleuder. Ich fummle den Schlauch aus dem aufgerissenen Gummi raus und zerschneide ihn mit dem Taschenmesser. Frühmorgens gehe ich allein Richtung Norden aus der Stadt raus. Dahin, wo auch die wilden Gräber sind. Noch immer fahren hier Busse voller Krieger die Straße lang. Ich gehe runter zum Fluss, wo mich keiner sehen kann. Ich lege mich auf den Boden. Ich höre das Rauschen vom Wasser und das Geheule von den vielen Grillen. Ich warte, bis ich in den Bäumen über mir ein paar Vögel sehe. Ich nehme einen Stein vom Boden und schieße die Tiere ab. Nur einmal erwische ich einen von den Vögeln. Der fällt runter vom Baum. Aber der ist gar nicht tot und fliegen will er auch nicht mehr. Ich gehe näher zu ihm hin und der hüpft auch gar nicht weg. Ich nehme ihn in die Hand. Den ganzen Tag trage ich ihn mit mir rum und passe auf ihn auf. Als ich später die Schubkarre schiebe, klemme ich ihn in den Bund von meiner Sporthose. Abends gehe ich hinter unsere Bude zur Feuerstelle. Ich haue dem Vogel mit dem Schraubenzieher auf den Kopf. Ich mache ein Feuer. Ich weiß nicht, wie ich den Vogel zubereiten soll. Der einbeinige Dschib hat auch keine Ahnung. Ich werfe den Vogel in einen Topf und kippe Wasser rein. Der Vogel ist mit einem Mal ganz dick. Ich gucke mir an, wie er langsam im Kreis treibt, und dann merke ich, dass ich gar keinen Hunger mehr habe. Ich nehme den Vogel wieder aus dem Topf raus und schmeiße ihn Tango hin. Aber der schleppt ihn nur ein paar Meter weiter auf die Straße und lässt ihn da liegen.
Unser Mädchen finden wir in einer Kaschemme. Das ist eine Kaschemme auf unserer Seite vom Fluss. Als es dunkel ist, gehen wir hin. Ich stelle die Schubkarre vor der Kaschemme ab. Ich kippe sie um, damit sie noch kaputter aussieht und keiner die klauen will. Wir stehen in der Tür. Ein langer Tisch ist an der Wand und ein Mann bringt Teller mit Fleisch zu den anderen Männern, die um den Tisch rum sitzen und rauchen und Bier und Schnaps trinken.
Ein Mann ruft: Zwei Idioten zu Besuch!
Es ist ganz still plötzlich und alle gucken uns an. Der einbeinige Dschib singt ein Lied, das hier alle kennen. Die Männer hören zu. Der einbeinige Dschib singt wie ein kleiner Junge, obwohl der älter ist als ich und schon graue Haare hat. Einer hebt den einbeinigen Dschib auf einen Stuhl und jetzt hat der eine richtige Bühne. Die Krücke liegt am Boden. Der einbeinige Dschib steht auf einem Bein auf dem Stuhl, die Hände macht er hinter dem Rücken zusammen, wie wenn er betet. Der singt und schwebt. Einer will ihn stützen und merkt, dass das gar nicht nötig ist. Der einbeinige Dschib macht die Augen zu und singt weiter. Jetzt geht es um ein Mädchen aus der Stadt der Brücken. Sie ist unglücklich verliebt und das Herz tut ihr weh. Die Männer in der Kaschemme breiten ihre Arme aus und singen mit. Einer hat eine Klarinette dabei und spielt darauf. Ein anderer trommelt auf dem Tisch. Ich gehe zu dem Mann mit dem Tablett.
Ich sage: Kann auch ich mich nützlich machen?
Der Mann sagt: Zu wem gehört ihr?
Ich sage: Wir sind allein eine Gruppe.
Der Mann sagt: Wenn dein Freund hier singt, kannst du vom Boden einsammeln, was für die Tiere ist, und die Aschenbecher ausschütten. Wirf alles in diesen Eimer hier. Spül die Gläser und kehr den Schmutz hinterm Haus zusammen. Du kannst trinken und essen. Aber nimm dir niemals etwas, ohne mich vorher zu fragen.
Ich mache mich an die Arbeit. Ich krieche unter den Tisch und sammle ein, was von den Tellern fällt. Ein Mann trägt eine Jeanshose, die an den Knien abgerissen ist. Auf der Wade hat der einen Wolf tätowiert, wie der Vater auf dem Arm und wie ich mit dem Filzstift. Der trägt weiße Socken und Badelatschen. Vor seinen Füßen liegt ein Knochen. Ich knabbere das restliche Fleisch davon ab. Ich krieche unter dem Tisch vor und werfe alles in den Eimer in der Küche, den der Mann mir zeigt. Dann drücke ich mich zwischen die singenden Männer und nehme die zwei Teller vom Tisch, auf denen sie die Zigaretten ausdrücken, und tausche die gegen zwei neue Teller aus. Die Stummel hebe ich alle für uns auf. Ich spüle das Geschirr in einem Eimer Flusswasser. Der Mann mit dem Tablett sitzt jetzt mit den Männern am Tisch und singt. Der steht nur noch auf, wenn er für alle neues Bier und neuen Schnaps holt. Einer von den Männern nimmt mich und schubst mich
Weitere Kostenlose Bücher