Wie ich Schriftsteller wurde
leisten, kann sogar Paula einladen. Ich unterschreibe.
Benno grinst zufrieden. Ob er Provision kriegt?
Jetzt habe ich es schwarz auf weiß: Ich muss einen Roman
schreiben – was für eine irre Idee! Was für eine Anmaßung! Irgendetwas in mir
sagt: Gib’s auf, das bringst du ohnehin nicht.
Keine 24 Stunden später ist das Geld auf meinem Konto. Jetzt
muss ich.
Ich verschiebe das Problem um ein paar Wochen. Wenn ich aus
Italien zurück bin, habe ich immer noch genug Zeit. Jetzt sammle ich erst
einmal Lebenserfahrung. Urlaubsreisen sollen ja ein gewisses humoristisches
Potenzial haben. Im Zug nach Florenz, Paula an meiner Seite, fallen mir gleich
reihenweise absonderliche Urlaubserlebnisse ein.
Meine Verwunderung über das minimale Frühstück in einem
italienischen Nobelhotel.
Mein Freund Simon, der im Aufzug aus der Tiefgarage direkt
bis in die Empfangs-Lounge des „Waldorf Astoria“ empor fuhr – mit
Fahrradklammern an den Hosenbeinen und seinem Fahrrad neben sich.
Mein Freund Norman, der in Frankreich zehn Eier kaufen
wollte, aber „Dix-neuf!“ sagte, während er auf die Keimzellen deutete.
Das Luxushaus in der Bretagne mit der vollen Sickergrube und
den nachfolgenden nächtlichen Besuchen auf der Toilette des fast benachbarten
Campingplatzes, der mit dem Fahrrad auch in Nachtbekleidung mühelos in zehn bis
fünfzehn Minuten zu erreichen war. Der mit der schlechten Blase brachte morgens
immer gleich ein paar Baguettes mit, denn die gab es im Kiosk gleich neben dem
Klo.
Ich selbst in einer griechischen Hochzeitgesellschaft,
perfekt mit Ouzo abgefüllt und auf dem Weg, trotz erheblicher
Bewegungsstörungen zum König des griechischen Volkstanzes zu werden.
Benno in Großbritannien, der zu einem Bauarbeiter den
jovialen Satz „Oh, you work hardly!“ sagte und nachher ein blaues Auge mit
nachhause brachte.
Der deutsche Biker, der in Griechenland, berauscht von
Sommer und Wein, seinen 1000-ccm-Chopper bei einem befreundeten
Motorradverleiher unkonventionell gegen eine 250-ccm-Enduro tauschte und der
den Verleiher zum glücklichsten Menschen auf der Insel machte, der tagelang
nichts anderes tat, als mit dem fetten Krad über den Marktplatz seines
Heimatortes zu cruisen …
Die Polizeikontrolle in Amsterdam, bei der der Beamte den
Duft von Patchuli mit Haschisch verwechselte und auf Deutsch mitzuteilen
versuchte: „Haben Sie Hasch dabei? Ich rauche es nämlich!“ Riechen und rauchen
liegen sprachlich eben nahe beieinander …
Die Wennerscheids aus Olpe, die in Bangkok beim Verlassen
des Hotels als ersten Menschen überhaupt den Süchterscheids, ihren
unmittelbaren Nachbarn zu Hause, begegneten. Übrigens eine Standardsituation:
Andere trafen an den aberwitzigen Orten ihren Chef, ihren Lateinlehrer oder
ihre Ex-Frau samt neuer Familie …
Mein Freund Bernward, der auf der Rückreise aus der Schweiz
nach Köln kurz vor Ankunft im Zug eingeschlafen war und erst wieder aufwachte,
als draußen auf einem Schild „Telefon“ mit doppeltem O – „Telefoon“ – geschrieben
wurde.
Die FKK-Urlauber, die bei ihrer Ankunft das Hotel verwechselten
und Speisesaal bei ihrem ersten Abendessen nur auf angezogene Leute trafen …
Stoff gibt es genug, mal sehen, was ich noch selbst erleben
werde.
Aber darüber später mehr, versprochen.
Katharsis
Irgendetwas ist geschehen in Italien, vielleicht hat mich
zwischen den grünen Hügeln der Toskana Goethes Geist angeweht oder vielleicht
doch der von Kandinsky. Irgendwann. Paula sitzt in genießerischer Ruhe auf der
Terrasse unseres Ferienhauses und trinkt einen unglaublich italienischen Wein,
als mich der kreative Blitz trifft. Plötzlich weiß ich alles über die Tragik
meiner Hauptperson, über die verwegenen Hoffnungen seines Kontrahenten, über
die zarte Seele der Frau, die ihn von Seiten 25 bis Seite 455 begleiten sollte.
Erstaunlicherweise schreibe ich die ersten Worte meines
Romans auf Papier, weil der Akku von meinem Notebook leer ist, und so werden
diese ersten Zeilen der Nachwelt erhalten bleiben. Sie lauten nicht etwa
„Ilsebill salzte nach.“
wie in Günter Grass’ Roman „Der Butt“ von 1977 und auch
nicht:
„Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen
erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer
verwandelt.§
wie in der Erzählung „Die Verwandlung“ von Franz Kafka.
Schon aus dem einfachen Grund, weil sich
Weitere Kostenlose Bücher