Wie im goldenen Kaefig
zuliebe gegessen.”
“Mir zuliebe?” Er sah sie verwirrt an. Dann lächelte er, so dass sie beinahe wieder aufgegeben hätte. Aber nur beinahe.
„Ja, ich habe es für dich getan”, wiederholte sie leise. “Vermutlich ist es ganz gut, dass ich ihn nicht mag, denn mit dem Einkommen einer Studentin werde ich ihn mir auf absehbare Zeit nicht leisten können.” Sie sah den Kellner an und bestellte.
“Ich nehme Salat und dann Lachs in Weißweinsoße.”
5. KAPITEL
Als Marianne am nächsten Tag aufwachte, war ihr Zimmer in ein seltsam fahles Licht getaucht, und es war ungewohnt leise.
Sie hörte überhaupt keine Geräusche von draußen. Ein Blick auf den Wecker -
sechs Uhr morgens. Um diese Zeit dröhnte der Londoner Verkehr gewöhnlich eintönig im Hintergrund.
Sie zog den Bademantel über und ging auf Zehenspitzen zum Fenster. “Wie herrlich!”
Es war Jahre her, seit es in London zuletzt geschneit hatte, und sie fand den Anblick wunderschön. Die düstere kleine Straße hatte sich in ein winterliches Paradies verwandelt. Alles wirkte rein und wie verzaubert. Die geparkten Autos verschwanden unter einer zentimeterdicken Schneedecke. Hier und da kratzten Frühaufsteher die Windschutzscheiben frei. Noch während sie hinaussah, fuhr das erste Auto die Straße entlang und hinterließ zwei deutlich sichtbare Spuren im Schnee.
Plötzlich merkte sie, dass sie vor Kälte zitterte. Nach einem Leben mit Zentralheizung musste sie sich erst daran gewöhnen, wie kalt es in ihrem ungeheizten Zimmer über Nacht wurde. Sie wandte sich vom Fenster ab, stellte die Gasheizung an, machte sich einen Tee und setzte sich, in die Bettdecke gehüllt, wieder aufs Bett.
Während sie ihren Tee trank, dachte sie an Zeke. Er war am Vorabend so wütend geworden. Nach dem Essen hatte er erst ihren Vater dort abgesetzt, wo dieser sein Auto geparkt hatte, und sie dann nach Hause gefahren. Schweigend.
Sie hatte eigentlich erwartet, dass er sie, sobald sie allein im Auto waren, angreifen würde wegen ihrer Bemerkung, dass sie als Studentin nur wenig Geld hätte. Aber nichts war geschehen. Zeke hatte beharrlich geschwiegen, und als sie schließlich selbst das Thema angeschnitten hatte, hatte er sie grob und kurz abgewiesen.
Erst als offen sichtlich war, dass er sie ohne ein Wort zu Hause absetzen und wegfahren wollte, war Marianne der Kragen geplatzt. “Wie kannst du Gute Nacht sagen und dann einfach wegfahren?” schrie sie ihn an. “Was ist denn mit dir los?”
“Mit mir?” Er warf ihr einen verstörten Blick zu. “Ich sage Gute Nacht, weil klar ist, dass du meine Gesellschaft keine Sekunde länger als unbedingt nötig ertragen willst. Das ist alles.”
“Ist es nicht!”
„O doch, Marianne. Du hast Liliane und Claude selbst erlebt. Du weißt also, dass zwischen mir und Liliane nichts ist. Trotzdem willst du nicht nach Hause kommen. Schluss, aus.”
“Schluss, aus?” flüsterte sie ungläubig. “Wir haben nichts besprochen oder geklärt, Zeke. Wie kannst du da sagen: Schluss, aus? Du sprichst von unserer Ehe. Von unserer Ehe.”
“Meinst du, ich wüsste das nicht?”
“Ich habe keine Ahnung, was du weißt oder was du nicht weißt. Woher sollte ich? Du redest nicht mit mir. Jedenfalls nicht über Wesentliches, und du hörst mir nicht zu. Alles, einfach alles, muss immer so laufen, wie du es willst. Von mir verlangst du, dass ich den ganzen Tag zu Hause sitze, Däumchen drehe und darauf warte, dass du aus deiner Welt der Millionenabschlüsse und des spannenden, aktiven Lebens zurückkommst. Dann soll ich dir eine liebe, folgsame Ehefrau sein, die dir Essen und Bett warm hält.”
„Jetzt red keinen Unsinn”, erwiderte er grob. “So ist es überhaupt nicht.”
“Doch, genauso ist es, Zeke.” Sie warf ihm einen Blick zu, aber er blickte angespannt geradeaus durch die Windschutzscheibe. “Ich weiß, dass ich nicht hätte glauben sollen, du hättest eine Affäre, aber es schien alles darauf hinzuweisen. Liliane gehört zu deiner Welt, sie ist interessant, sehr feminin und faszinierend. Du hast ihr Fachwissen und ihr Flair gebraucht. Mehr, als du mich jemals gebraucht hast“, fügte sie bitter hinzu.
“Was? Das glaubst du doch selbst nicht.”
“Doch, das glaube ich.” Sie atmete tief ein. “Ich habe mich in jemand anderen verwandelt, seit ich mit dir verheiratet bin, und ich mag mich so nicht. Du willst nichts davon hören, dass ich einen Job annehme oder als Freiwillige arbeite. Es gefällt dir nicht, wenn
Weitere Kostenlose Bücher