Wie im goldenen Kaefig
wohl verzichten müssen.
Vor dem Supermarkt blieb Zeke stehen. “Wann hast du heute Feierabend?”
“Um vier. Ich mache keine Mittagspause, weil Mrs. Polinski meint, die meisten Kunden kämen zwischen elf und drei. Dafür schließen wir den Laden heute schon um vier.”
Sie unterhielten sich wie zwei Fremde. Bestimmt bereut er es, dass er sich mit mir verabredet hat, dachte sie unglücklich. Sie sah zu ihm auf und überlegte, wie sie ihm sagen sollte, dass sie es verstehen könnte, wenn er doch nicht kommen wollte. Seine Bemerkungen, sie sei frei und er wolle die Situation nicht ausnutzen, waren ja eindeutig gewesen.
Da beugte er sich vor und küsste sie auf den Mund. Es war ein fordernder, leidenschaftlicher Kuss, den sie beim besten Willen nicht als freundlichen Abschied bezeichnen konnte. Zeke hielt sie mit einer Hand um die Taille fest an sich gepresst, die andere Hand ruhte in ihrem Nacken. Sie atmete seinen unverwechselbaren Duft ein und spürte, wie sich ihr Verlangen nach ihm regte.
Erschrocken, dass er so viel Macht über sie besaß, machte sie sich von ihm los.
“Nicht, Zeke … Es kann sein, dass uns die Polinskis zusehen. Vielleicht denken sie jetzt, ich …”
“… du hättest einen heimlichen Liebhaber?” neckte er sie freundlich.
Sie atmete auf. Offenbar hatte sie ihn nicht verletzt. “Man kann ja nie wissen.”
“Nein, das kann man nicht”, stimmte er ihr zu und lächelte. “Ich warte dann um vier auf dich, okay?”
“Okay. “
Er ging über die Straße zu der Stelle, wo er den Mercedes geparkt hatte, und sie betrat den Laden. Die Weihnachtslieder, die dort aus den Lautsprechern ertönten, passten wunderbar zu ihrer eigenen Stimmung.
Zeke kam schon gegen ein Uhr. Schweigend stand er vor der Theke und wartete, während Marianne die endlose Schlange von Kunden bediente. Er sah unnahbar aus und strahlte überhaupt keine Weihnachtsstimmung aus, so dass sie sicher war, dass er die Verabredung absagen wollte.
Deshalb sah sie ihn verblüfft und verständnislos an, als er sich vorbeugte und leise fragte: “Leihst du mir deine Schlüssel?”
“Wie bitte?” Sie war sich nur allzu sehr der neugierigen Blicke von Mrs.
Polinski und Kadia bewusst, die an den anderen beiden Kassen bedienten. Sie errötete tief.
“Deine Schlüssel”, wiederholte Zeke geduldig. “Ich habe ein paar Einkäufe gemacht und würde sie gern in dein Zimmer bringen, falls das okay ist?”
“Oh. Ja. Ja, natürlich. Ich muss bloß…” Sie sah sich unsicher um. “Meine Handtasche liegt hinten.”
“Dann warte ich eben einen Moment.”
Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren, während er an der Wand lehnte und sie bei der Arbeit beobachtete. Aber schließlich hatte sie ihre Kundin abgefertigt und bat die nächsten in der Schlange um einen Moment Geduld. Dann lief sie nach hinten.
Zeke richtete sich auf, als sie zurückkam, und nahm die Schlüssel rätselhaft lächelnd in Empfang. Er ließ den Blick auf ihren Lippen ruhen, und Marianne spürte, wie sie von neuem errötete.
“Bis später dann”, flüsterte sie.
Er nickte. “Bis um vier.” Damit drehte er sich um und verließ den Laden, ohne jemanden auch nur eines Blickes zu würdigen.
Typisch Zeke. Er sagte selten ein überflüssiges Wort. Marianne sah ihm wehmütig nach. Sie liebte ihn, doch an seinem Verhalten hatte sich noch nichts Grundlegendes geändert. Also würden sie zwar gemeinsam zu Abend essen, aber weiterhin getrennt leben.
Andererseits war er zu ihr gekommen. Er hätte den Abend mit vielen anderen Frauen verbringen können. Stattdessen hatte er sie gewählt. Das musste doch etwas heißen. Kam er aus Mitleid? Fühlte er sich verantwortlich? Oder schuldig? Vielleicht hatte er es ohne sie nicht mehr ausgehalten. Marianne atmete tief durch und wandte sich ihrer nächsten Kundin zu.
Als Mrs. Polinski ihr einen großzügigen Scheck als Weihnachtsgeschenk überreichte und sie schon um kurz nach drei nach Hause schickte, brauchte sie keine zweite Aufforderung. Sie freute sich auf den Abend, denn sie würde Zeke treffen. Bis er kam, wollte sie das Zimmer aufräumen und herrichten, auch wenn sie es nicht wesentlich verschönern konnte. Ihre Vernunft sagte ihr, dass sie ihre Vorfreude und Hoffnung, die im Laufe des Nachmittags gewachsen waren, ein bisschen dämpfen sollte, aber sie wollte nicht. Immerhin war Weihnachten, und da durfte man träumen und hoffen, oder nicht? Selbst wenn ihre Hoffnungen auf Sand gebaut sein sollten, wollte sie
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