Wie immer Chefsache
Motivationsbemühungen. Frau Althoffs Mundwinkel zeigten ein spöttisches Zucken, das durch eine arrogant hochgezogene Augenbraue unterstützt wurde. Mattes versuchte positiv auf seine Mitarbeiter einzuwirken: »Bis jetzt sind ja schon einige nette Ideen aufgetaucht …« Die aber nicht ausreichten, um aus dem Provinzblatt-Status herauszukommen und die außerdem alle von mir selber gekommen sind, dachte er.
»Jetzt müssen wir loslegen, kreativ sein, uns gegenseitig hochbringen. Wir sind ein gutes Team und werden eng miteinander arbeiten.« Er gab seiner Stimme einen vertraulichen Klang und spielte gute Laune vor. Wenn mitreißen, dann richtig. »Ich bin übrigens Mattes.«
Eine längere Pause folgte, dann stellte sich Frau Berger leise, aber freundlich mit »Nadine« vor. Herr Plattler grunzte ein kaum verständliches »Peter« heraus, während sich Frau Althoff langsam erhob: »Ich denke nicht, dass uns eine vermeintlich persönliche Annäherung in der Anrede weiterbringt, Herr Reuter. Von daher bevorzuge ich das Sie. Und ich möchte darauf dringen, dass auch Tina das Sie beibehält.«
Tina guckte sie verständnislos an: »Ich bin doch immer du. Warum denn jetzt anders?«
Frau Althoff sagte mit ruhiger Stimme: »Für dich bleibt es, wie es ist, Tina. Wir sagen Tina zu dir und du nennst uns Frau Althoff und Herr Reuter.«
Sie blickte Mattes an: »Ich nehme an, das ist in Ihrem Sinn.«
»In Ordnung, Frau Althoff«, sagte Mattes ruhig und war heilfroh, dass sie sein unbedacht angebotenes Du nicht angenommen hatte. Auf Du mit Frau Mahlzahn – so was konnte nicht gut gehen. Peter Plattler stand auf und ging zur Tür. Im Rausgehen sagte er: »Hauptsache, ich bin abends pünktlich draußen. Dann ist mir egal, ob ich ein neues oder das alte Magazin mache.«
Der hört sich ja unglaublich motiviert an, dachte Mattes.Kaum saß Mattes wieder an seinem Schreibtisch, rief ihn Astrid auf dem Handy an. »Hör mal, ich hab eben ein Seminar bei einer Firma gehabt, die jemanden für die Werbeabteilung brauchen. Ich habe sofort an dich gedacht und einen Vorstel lungstermin ausgemacht. Morgen um 11. Bitte zieh dir was Ordentliches an!«
Mattes stöhnte auf: »Astrid! Bitte lass das! Ich hab keine Zeit.«
»Keine Zeit gibt es nicht!«, behauptete Astrid energisch und setzte spöttisch hinterher: »Vor allem nicht bei dir. Sei froh, dass ich das jetzt mal in die Hand nehme!«
»Tut mir leid, Astrid, aber den Termin wirst du absagen müssen.«
Astrid holte tief Luft und platzte raus: »Mattes, wenn du nicht hingehst, rede ich kein Wort mehr mit dir!«
»Ein verlockendes Angebot«, grinste Mattes, »aber ich habe wirklich keine Zeit. Und momentan kein Interesse.«
Ein Klicken zeigte ihm, dass Astrid die Verbindung sauer unterbrochen hatte. Die würde sich schon beruhigen.
Am Abend war Tennisstunde mit Alex. Jeden Freitagabend hatten sie für eine Stunde einen Hallenplatz gemietet, und die Stunde fand statt, egal, was für andere Termine sich reindrängen wollten. »Ich hab nur noch zweimal in der Woche Zeit für Alex, und die lass ich mir nicht nehmen«, sagte Mattes unbeirrbar und war darum nie für redaktionelle Einsätze am Dienstagvormittag oder Freitagabend zu haben gewesen. Auch wenn sein Leben bisher selten hektische Momente gehabt hatte, war Alex die Person, die ihn erdete und bei der er sich ganz unverstellt geben konnte, wie er war. Mattes freute sich, als Alex in der Umkleidekabine erschien. Den ganzen Nachmittag hatte er neue Konzepte geplant und verworfen, Gespräche mit Peter, Nadine und Frau Althoff geführt, und langsam nahm das Projekt ›neues Magazin‹ Formen an.
»Ich dachte zuerst, die lassen mich voll hängen, aber langsam fangen sie an zu leben«, erklärte er seinem Freund. »Aber ich habe trotzdem das Gefühl, mitten in einer Zombie-Freakshow zu sein.«
Alex setzte sich neben ihn auf die Bank. »Du warst schon immer von bekloppten Leuten umgeben, warum sollte das jemals anders werden?«
Mattes grinste: »Oh, weißt du noch, wie verzweifelt ich als Kind war, weil meine ganze Familie nur aus Freaks bestand? Tante Thea mit ihrem Arco, meine seltsamen schrulligen Eltern, die verrückte Tante Gerlinde … oooh«, er schlug die Hände vors Gesicht. »Manchmal habe ich gedacht, ich kann niemals ein normaler Mensch werden, weil ich zwischen all diesen Typen aufwachsen muss. Ich bin ein Verdammter, der die Dynastie des Irrsinns fortführen muss.«
Alex nickte: »Die waren wirklich schräg. Deine
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