Wie immer Chefsache
Astrid tänzelte in Sportkleidung vor dem Fenster herum, um zu demonstrieren, dass ihre Fitnesszeit unmittelbar nach Verlassen der Haustür begann und sie ab dann in Bewegung blieb. Sie joggte nicht regelmäßig, aber wenn, dann mit der sektenähnlichen Überzeugung eines Fitness-Gurus.
»Ich wollte nur sagen, dass unsere Eltern morgen zum Kaffeetrinken kommen und sich freuen würden, dich zu sehen.«
»Morgen hab ich keine Zeit«, sagte Mattes sofort und versuchte in seine Stimme ein hörbares Bedauern zu legen.
»Ist klar«, sagte Astrid. »Vier Uhr. Lass dich wenigstens mal blicken!«
Sie hopste und machte kleine Ausfallschritte, was Mattes besonders nervte.
»Lauf doch einfach los und bring es hinter dich!«, sagte er. »Dieses Rumgehampel lässt garantiert nur alle Fettzellen auf die Hüften springen und sich verdreifachen.«
Astrid sah ihn triumphierend an: »Du wirst schon sehen: In vier Wochen habe ich die 65-Kilo-Marke geknackt. Ich habe ein sehr effektives Trainingsprogramm in der ›Brigitte‹ gefunden.«
Mattes grinste: »Da fehlt dir jetzt nur noch ein Hund, wenn du immer im Park unterwegs bist!«
Astrid schnaufte empört auf: »So weit kommt es noch. Es reicht, dass mir die Köter immer in die Hacken rennen. Ich bin für Leinenzwang, Maulkorb und dass die Hundebesitzer mit den Nasen in die Kackhaufen ihrer Hunde gesteckt werden! Das wird ein Spaß!«
Nebenan öffnete sich ein Fenster, und Godehards Stimme war zu hören: »Liebling, kann ich noch etwas besorgen, während du dein Sportprogramm absolvierst?« Mattes wiederholte süffisant grinsend: »Sportprogramm«, während seine unentwegt hopsende Schwester ihn kurz vernichtend ansah und dann ein Beschäftigungsprogramm aus dem Ärmel zog: »Du kannst ein Paket gehackte Mandeln kaufen, nicht wieder die in Scheiben. Gehackt muss draufstehen. Und dann frag Meike, ob du sie zu einer ihrer Freundinnen fahren kannst, aber sag ihr klipp und klar, dass sie vor dem Kaffeetrinken wieder abgeholt wird. Und frag Robin, ob er genug für die Mathearbeit gelernt hat. Nein, am besten setzt ihr euch hin und übt alles noch mal!«
»Das machen wir«, bestätigte Godehard nickend, und Mattes spürte eine leichte Verachtung wegen seines unterwürfigen Tonfalls.
Zufrieden nickend setzte Astrid hinterher: »Aber fang sofort an, sonst bin ich zurück, ehe du etwas geschafft hast!« Sie hob triumphierend den Arm, rief »65 Kilo!!« und sprintete los. Mattes sah ihr hinterher und lachte laut, als er durch eine Lücke in den Büschen sehen konnte, wie sie schon wenige Meter später in ein wesentlich langsameres Tempo fiel und nicht daran dachte, dass er das beobachten konnte.
Er pfiff nach Mina und ging los, um Saskia Hoffmann abzufangen. Es galt, ganz unauffällig, aber genau zum richtigen Zeitpunkt auf sie zu treffen. Zwischen der angegebenen Adresse und dem Park blieb er auf dem Bürgersteig stehen und behielt die Haustür im Blick. Mina schnüffelte mehrfach einen Baum ab, merkte, dass Mattes stehen blieb, und setzte sich abwartend hin. Nein, die sollte jetzt nicht so auffällig rumsitzen, sondern einen Hund spielen, der Gassi ging. »Guck mal, da ist noch ein Baum!«, versuchte Mattes sie anzufeuern und wechselte zum nächsten. Vermutlich guckten schon die ersten Nachbarn hinter den Gardinen, was der Mann mit dem Hund wollte, der seit zehn Minuten zwischen zwei Bäumen hin und her lief und dabei immer wieder auf einen Hauseingang guckte. Sie hielten ihn wohl für die Steigerung eines perversen Exhibitionisten. Er las schon die Schlagzeilen in der BILD: »Mattes R., Hunderedakteur, entblößt sich öffentlich – stets im Beisein seines Hundes.« Endlich öffnete sich die Tür, und eine schlanke Frau mit Hund kam heraus. War das wirklich Saskia Hoffmann? Mit der Mütze und fast ungeschminkt sah die ganz anders aus als auf dem Bildschirm. Wie blöd, wenn er jetzt die Falsche anquatschen und zu einem Interview überreden würde! Mina und der andere Hund nahmen Sichtkontakt auf, und Mattes wusste, dass damit der erste Schritt getan war. Hoffentlich zickten die Hunde jetzt nicht rum und verhinderten die lockere Annäherung an die Moderatorin. Falls das überhaupt die Moderatorin war. Mattes war immer noch unsicher. Die Hunde näherten sich einander und zu seiner Erleichterung gingen sie freundlich aufeinander zu. Jetzt konnte die Annäherung zwischen den Menschen folgen.
»Der ist aber nett«, sagte er und blickte auf den anderen Hund. »Was ist das für
Weitere Kostenlose Bücher