Wie immer Chefsache
wenn sie sowieso keinen Kuchen isst, kann sie auch gehen«, erklärte Astrid ihren plötzlichen Meinungsumschwung.
»Aber ich dachte …«, begann Godehard, stockte, als er den Blick sah, der ihn aus Astrids Augen traf, und verstummte. Mattes’ Handy klingelte. Alex! Er hatte seine flehentlichen Gedanken tatsächlich gespürt. Mattes war überrascht, dass an der Telepathie mehr dran sein musste, als er bisher geglaubt hatte, und nahm das Gespräch an. Es war Saskia Hoffmann.
»Störe ich?«
»Nein, überhaupt nicht«, sagte er eine Spur zu freudig, weil er wusste, dass er jetzt einen Grund für das vorzeitige Verlassen der Kaffeetafel erfinden konnte. Er gestikulierte seiner gespannt auf ihn starrenden Familie, dass er ein wichtiges Gespräch habe, und zog sich in den Flur zurück. An der absoluten Stille im Nebenraum erkannte er, dass dort alle aufmerksam am Tisch saßen und mithörten. Egal.
»Können wir den Interviewtermin schon in dieser Woche machen?«, fragte Saskia Hoffmann.
Mattes wollte spontan antworten, hielt sich aber im letzten Moment zurück. In diese Falle war er schon bei der Althoff getappt, als er die neue Stelle sofort antreten konnte. Ein erfolgreicher Chefredakteur hatte niemals sofort Zeit, hatte er gelernt.
»Moment mal«, zögerte er. »Meine Sekretärin im Büro hat den Überblick über meine Termine, aber ich seh’ mal in meinem Kalender nach.«
Er blätterte hörbar raschelnd in einem zerlesenen Comicheft, das neben ihm im Regal lag und vermutlich Robin gehörte.
»Nein … alles zu … Treffen mit der Deutschen Bank … Donnerstag Mittagessen mit dem Chef vom ›Spiegel‹ …«, murmelte er halblaut, aber gut verständlich. Den beschäftigten Chefredakteur zu spielen, machte richtig Spaß. Übermütig legte er noch was drauf: »Nächste Woche dann Hamburg, Berlin …« Als hätte er plötzlich eine Idee, rief er laut: »Doch! Ich sehe gerade, morgen geht es. Ich cancel einfach den Termin mit dem Frankfurter Presse-Vorstand, dann habe ich Zeit für Sie. Wie wäre es um 12 Uhr? In dem kleinen Café am Markt?«
Sie schien beeindruckt, und er hoffte, dass sie, wenn es einen Frankfurter Presse-Vorstand wirklich gab, keinen Kontakt zu ihm hatte.
»Dann bis morgen um 12 Uhr, ich freu mich«, flötete sie ins Telefon und legte auf.
Mattes atmete tief durch. Wow! Das hatte er souverän hinbekommen. Saskia Hoffmann war von ihm mindestens ebenso beeindruckt wie er von sich.
»Du fährst weg?«, fragte Astrid völlig perplex, als er die Wohnzimmertür öffnete.
»Mattes!«, rief seine Mutter mit kaum unterdrücktem Stolz und hatte Tränen in den Augen. »Nun erzähl doch schon!«
»Ja, es ist geschäftlich, aber ich kann jetzt nicht viel dazu sagen, ich muss sofort gehen, es ist dringend, tut mir leid«, sagte Mattes hastig, rief Mina und verließ fast fluchtartig die Wohnung. Scheiße. Wie kam er da wieder raus? Zuerst einmal, indem er verschwand und erst wiederkam, wenn seine Eltern weg waren. Bis dahin hatte er auch hoffentlich eine Ausrede für Astrid gefunden. Im Übrigen war er sicher, dass bis spätestens übermorgen das gesamte Stadtviertel, in dem er seine Kindheit verbracht hatte, von seiner Mutter darüber informiert war, dass der Mattes endlich einen ganz großartigen Job hatte und darum durch die gesamte Republik jettete. So wie er seine Mutter einschätzte, gab sie dazu unverblümte Hinweise, dass es eine Art ›Aktuelles Sportstudio‹ sei und mit Prominenten zu tun habe, und ganz sicher schloss sie mit der Bemerkung, dass sie immer an ihn geglaubt und gewusst habe, dass aus ihm noch etwas werden würde.
Der Wochenstart in der Redaktion war turbulent. Noch vor dem ersten Kaffee platzte er ins Zimmer seiner persönlichen Assistentin Gisela Althoff und knallte Mucki, der innen sofort kläffend losstürzte, versehentlich die schwere Tür vor den Kopf. Laut aufjaulend sprang Mucki in sein Körbchen zurück, und Frau Althoff lief besorgt zu ihm hin.
»Mein Prinzchen, zeig mal den Kopf, ach, Prinz Mucki, es wird alles wieder gut«, tröstete sie mit weicher Stimme und schien ehrlich besorgt.
Prinz Mucki? Mattes glaubte nicht richtig zu hören. Aber tatsächlich, sie wiederholte es. Hatte man ihr über Nacht beide Hirnhälften durch aufgeweichte Brötchenhälften ersetzt?
Er versuchte sie zu beruhigen: »Der hat nur die Tür leicht vor den Kopf bekommen. So ein Hundeschädel hält das schon aus.«
Frau Althoff richtete sich auf und sagte vorwurfsvoll: »Das ist noch nie
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