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Wie immer Chefsache

Wie immer Chefsache

Titel: Wie immer Chefsache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Ruetter
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viel ähnlicher als im Naturzustand. Mattes atmete einmal tief durch. Er musste sie unbedingt für die Titelstory haben. Die Bedienung guckte beim Öffnen der Türe gespannt auf die eintretende Dame und war sichtlich enttäuscht, dass nicht der erwartete Hollywoodstar eintrat, sondern nur eine Fernseh-Moderatorin. Naja, besser als nichts.
    Wenn Mattes etwas konnte, dann war es, Fragen zu stellen, die ungewöhnlich waren und die später einen interessanten Artikel versprachen. Beobachten und die Zusammenhänge ergründen hatte er schon als Kind im familieneigenen Kuriositätenkabinett geübt, für das er keinen Eintritt zahlen musste, da er ja mit den Kuriositäten verwandt war. Damals stellte er allerdings noch keine Fragen, sondern blieb Zuschauer. Es gab ja auch viel zu sehen. Schon, dass die mit Tieren äußerst kommunikationsfreudige Tante Thea jahrelang jedes Gespräch mit ihrem Mann Günther vermied, war faszinierend. Onkel Günther zog es vor, auf dem Sofa zu sitzen und den Dialogen im Fernsehen zu lauschen. Am Ende des Fernsehprogramms, das damals noch einen Dienstschluss hatte, starrte er immer noch eine Weile konzentriert auf das Testbild, stand dann schwerfällig auf, um den Fernsehapparat ab- und das große Radio einzuschalten. Selbst beim Radiohören blieb sein Blick weiterhin auf den dann ausgeschalteten Fernseher gerichtet. Tante Thea musste Onkel Günther nicht mal zum Essen rufen, denn er erkannte am Klappern der Teller in der Küche, wann es so weit war, verließ ächzend seinen Sofaplatz, um am Resopaltisch in der Küche stumm das Essen in sich hineinzuschaufeln, holte sich auf dem Rückweg eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank und haute sich wieder auf das Sofa. Alles ohne ein einziges Wort zu verlieren. Und trotzdem hatten weder Tante Thea noch Onkel Günther unglücklich ausgesehen. Mattes dachte, dass sie sich wohl alles Wichtige in den ersten Jahren gesagt hatten und sich jetzt nicht wiederholen wollten. Wenn er es genau bedachte, war er ihnen darin in Grundzügen sogar ähnlich, denn auch er hasste Wiederholungen.
    Saskia Hoffmann antwortete ausführlich und stellte sich selbst als erfolgreiche Powerfrau dar. So wie ich mich als erfolgreichen Magazinmacher darstelle, dachte Mattes schmunzelnd. Dabei sah er unauffällig auf die Uhr. Hoffentlich kommt Peter Plattler gleich, und hoffentlich sieht er menschlich aus. Die Café-Tür öffnete sich, und völlig übernächtigt, mit qualmender Kippe im Gesicht, trat der Grafiker ein und schlurfte zu Mattes und seiner Interviewpartnerin.
    »Hier besteht Rauchverbot!«, rief die Bedienung ihm zu, was Peter Plattler mit einem Grunzen beantwortete, ohne die Zigarette zu entfernen. Saskia Hoffmann unterbrach ihren Satz und sah erschrocken aus. Scheiße, dachte Mattes, der ist ja geschäftsschädigend. Die läuft mir gleich weg.
    Leise sagte er: »Das ist unser Fotograf. Er sieht ein wenig übernächtigt aus, denn er kommt gerade aus New York, wo wir eine Fotosession fürs Magazin hatten.« Er nickte Peter zu und fragte laut: »Na, guten Flug gehabt?« Mit Erleichterung vernahm er, dass die Antwort wieder nur ein Grunzen war, das alles bedeuten konnte. Wenigstens da konnte man sich auf ihn verlassen. Peter würde NIE die Kippe aus dem Mund nehmen, um sich auch nur ansatzweise deutlicher verständlich zu machen. Während Peter seinen Fotoapparat aus einer Tasche kramte und das Licht prüfte, wandte sich Mattes der Moderatorin zu und erklärte halblaut: »Er ist DER In-Fotograf. Ständig gebucht und weltweit unterwegs.« Was erzählte er da? Jeder konnte sehen, dass Peter Plattler ein kleiner, mieser, kettenrauchender Niemand war. Es hatte weder für die große Fotografen-, noch für die Grafikerkarriere gereicht, geschweige denn für ein Leben als Musiker. Saskia Hoffmann schien es nicht zu sehen. Vielleicht lag ihr auch das nachlässige Erscheinungsbild Peter Plattlers so fern, dass sie es für eine Art von bewusster Selbstinszenierung hielt.
    »Das habe ich sofort gemerkt, dass das ein besonderer Typ ist«, sagte sie leise und war geschmeichelt, dass ein so berühmter Fotograf für sie da war.
    Und sie war auch gerne bereit, für eine Fotoserie mit Hund immer neue Positionen einzunehmen, in die Kamera zu lächeln oder ernst aus dem Fenster zu gucken.
    »Jou«, sagte Peter Plattler schließlich. »Da ist was dabei.«
    Mattes sah grübelnd auf die Moderatorin und tat so, als käme ihm der Gedanke zum ersten Mal: »Wir hatten ja vor, Veronica Ferres auf den

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