Wie immer Chefsache
Problemfall weniger.« Sie grinste dabei.
Er hatte seinen Mitarbeitern bewusst nicht vorher gesagt, was an diesem Freitag, den er harmlos »Werbe-Tag« genannt hatte, auf sie zukommen würde, denn ihm war klar, dass er ansonsten alleine dastehen würde. Alleine mit vier putzigen Dalmatinerkostümen. Die weißen Plüschoveralls hatten schwarze Flecken, eine Kapuze mit Ohren, und am Rücken war ein langer, dünner Schwanz befestigt.
»Ich glaub, ich spinne«, sagte Peter und starrte auf die bereitgelegten Hundehüllen.
Mattes bestätigte: »Ja, sehe ich genauso«, und versuchte gar nicht erst, Überzeugungsarbeit zu leisten. Dass die Kostüme NICHT albern waren, davon hätten weder seine Kreativität noch die Althoff’schen Daumenschrauben jemanden mit halbwegs gesundem Menschenverstand überzeugen können. Hier war nur eine schnelle Überrumpelung Erfolg versprechend.
»Rein in die Dalmatiner und los geht’s!«, rief er seinen Mitarbeitern zu.
»Moment mal!«, warf Nadine ein. »Da erkennt mich ja jeder, wenn ich so in der Stadt rumlaufe!«
Mattes legte zwei kleine Plastikbehälter auf den Tisch.
»Wir färben natürlich noch die Gesichter weiß und malen die Nasen schwarz. Wenn, dann richtig. Geht ganz einfach. Kommt Leute, an Karneval macht das hier jeder und hat Spaß!«
Was red ich für einen Scheiß, dacht er. Ich würde so ein Ding selbst zu Karneval niemals anziehen.
Peter griff nach einem Overall und grummelte zynisch: »Das ist wohl auch ›wie immer Chefsache‹.«
Schweigend zogen Nadine und Tina ihre Kostüme über, und Mattes hoffte inständig, dass sie nicht plötzlich zu viel nachdenken würden. Er würde sie nicht zwingen können, in dämlichen Hunde-Overalls durch die Stadt zu laufen. Er knöpfte seinen viel zu großen Overall zu und verrieb die weiße Farbe im Gesicht. Darauf gleich noch einige schwarze Punkte verteilt, und die Tarnung wäre perfekt.
Auf einmal fiel ihm die absolute Stille im Raum auf. Er hob den Kopf und blickte in die Gesichter seiner drei Mitarbeiter, die regungslos im Zimmer standen. Um ihre Körper hingen weite, sackähnliche Dalmatinerkostüme. Die sehen total bescheuert aus, ging es Mattes durch den Kopf. In diesem Moment quietschte Tina los und klappte lachend nach vorne.
»Sie sehen so voll blöd aus!«, japste sie. »So einen blöden Fleckenbär habe ich noch nie in meinem Leben gesehen!«
Nadine und Peter konnten sich nicht mehr halten und lachten auch laut los. Sieh mal an, dachte Mattes. Der festgefah rene, rauchkonservierte Peter kann laut lachen. Das hat er sicher seit Jahrzehnten nicht mehr gemacht. Jetzt aber schnell, ehe sie realisieren, was sie gerade machen.
»Los, los! Hier ist die Farbe. Ihr seht mir noch zu menschlich aus! Und Tina, es sind Dalmatiner. Dalmatiner-Hunde, nicht Dalmatiner-Bären.«
Zu viert saßen sie in Mattes Auto und fuhren in die City. Vier Dalmatiner in einem Auto. Drei davon mit ernsten Mienen, die deutlich aussagten, dass sich dahinter jemand fragte, wie um Himmels willen er in diese Lage gekommen war, während der Hund am Steuer freundlich winkte, wenn Passanten den seltsamen Fahrgäste entdeckten und mit den Fingern auf sie zeigten.
»Wenn jetzt Karneval wäre, würde ich mich besser fühlen«, stellte Nadine fest und zickte Peter an: »Jetzt mach doch mal deine blöde Kippe aus! Ich sterbe gleich.«
Tina sagte: »Es ist oberpeinlich. Aber irgendwie geht’s auch voll ab.«
Mattes hielt auf dem Parkdeck eines großen Kaufhauses, drückte jedem einen Packen Werbezettel in die Hand und sagte: »Wir gehen drei Stunden durch die Fußgängerzone und drücken jedem, der sich nicht mit Gewalt zur Wehr setzt, einen Zettel in die Hand. Denkt immer dran: Es erkennt euch keiner, und jedes Magazin, das dadurch am Montag mehr verkauft wird, ist unser Erfolg. Wir haben nur die eine Chance. Um vier Uhr treffen wir uns wieder am Auto.«
»Darf ich das Bein heben, wenn ich mal muss?«, fragte Peter ironisch.
Mattes grinste: »Natürlich. Tu, was du willst. Hauptsache, die Leute werden aufmerksam.«
In einem idiotischen Dalmatinerkostüm in der Fußgängerzone zu stehen war gar nicht so schlimm, wenn man wusste, dass man nicht erkannt wurde. Mit Overall und Schminke fühlte sich Mattes erstaunlich unbefangen. Zuerst ging er nur herum und verteilte seine Werbezettel, aber plötzlich machte ihm die Sache Spaß. Er bellte kleine Kinder an, die das meistens lustig fanden, sprang tapsig wie ein Welpe einer jungen Frau hinterher oder
Weitere Kostenlose Bücher