Wie immer Chefsache
stand einfach herum und schaute mit ernstem Blick Passanten hinterher. Die Werbezettel in seiner Hand wurden schnell weniger. Langsam bildete sich ein weiter Kreis um ihn, und Leute blieben stehen und waren gespannt, was er noch bieten würde. Die halten mich für einen Straßenkünstler, dachte er und grinste. Vor ihm klimperte ein Geldstück auf den Boden. Ein Kind hatte ihm einen Euro vor die Füße geworfen, und die Mutter, die es an der Hand hielt, lächelte ihm bestätigend zu. So einfach war das. Hundekostüm anziehen, Faxen machen und Geld einsammeln. Schnell drückte er dem überraschten Kind einen seiner Zettel in die Hand und bückte sich nach dem Euro. Mitten in der Bewegung erstarrt er. Über den Platz sah er Astrid mit Mina laufen. Hoffentlich bogen sie zur Seite ab und verschwanden in der Seitenstraße. Aber nein, sie drehten ab und kamen in seine Richtung. Offensichtlich wollte Astrid den Platz überqueren und musste dabei an ihm vorbei.
Er drehte sich hastig mit dem Rücken zu ihr. Sie durfte ihn auf keinen Fall erkennen. Langsam und möglichst unauffällig bewegte er sich zur anderen Seite des Platzes, da hörte er hinter sich ihren schrillen Ruf: »Mina! Komm sofort hier her! Miiiinaaa! Scheißköter! Mina, kommst du wohl her!!!«
Fast zur gleichen Zeit fühlte er, wie sich eine Hundnase mit Schwung in seine Kniekehle drückte, und dann sah er Mina schwanzwedelnd und freudig winselnd um ihn herum springen.
»Hau ab!«, kommandierte er zischend. »Mina, aus!«
Astrid kam im Laufschritt auf ihn zu und versuchte hektisch, das Ende von Minas Leine zu erwischen, während diese Gefallen an dem spannenden Spiel fand und immer wieder an Mattes hochsprang. Astrid konnte sie endlich am Halsband greifen und zerrte sie von ihm weg. »Tut mir leid, sie hat sich von der Leine gerissen«, presste sie verlegen heraus. »Der Hund ist total unerzogen, aber so was hat er wirklich noch nie gemacht.« Sie erkundigte sich besorgt: »Haben Sie sich wehgetan oder ist etwas an Ihrem Kostüm kaputtgegangen?«
Mattes zog den Kopf so weit wie möglich in die Kapuze zurück, drehte sich leicht weg und vermied jeden Augenkontakt. Was machte die denn hier? Natürlich hatte Mina ihn erkannt, und Astrid war nicht blöd. Die würde ihn auch gleich erkennen. Mina jaulte in hohen Tönen und versuchte erneut, ihn anzuspringen, und Astrid hatte Mühe, sie zu halten. »Ich glaube, sie hält Sie für einen Hund«, entschuldigte sie sich und fragte noch mal: »Ist wirklich alles in Ordnung?«
Mattes nickte mit gesenktem Kopf, winkte mit der Hand beruhigend ab und drehte sich weg. Ein Schritt weg, zwei Schritte weg, drei Schritte …
»Moment mal!«, rief Astrid.
Vorbei! Sie hatte ihn erkannt. Hatte er ja gleich gewusst. Sie kam mit der aufgeregt springenden Mina hinter ihm her. »Sie haben ein paar von Ihren Zetteln verloren.«
Er griff hastig danach, und einen kurzen Moment lang trafen sich ihre Augen. Sie stutzte merklich. Schnell senkte er den Blick und drehte sich weg. Hatte sie etwas gemerkt? Schon allein die Reaktion von Mina musste ihr doch verdächtig vorkommen. Ihm wäre sofort klar gewesen, dass ein Hund sich nicht so aufführt, nur weil ein Mensch in einem Hundekostüm steckt. Das wäre jedem Hund vollkommen egal. Aber Astrid zeigte wenig Gespür. Er hörte, wie sie im Weitergehen vorwurfsvoll mit Mina sprach, ihr unterstellte, dass sie dumm wie Stroh und schlimmer als ihr Herrchen sei, und drohte, sie nicht mehr mitzunehmen, wenn sie sich so peinlich verhielt.
Mattes fühlte, wie ihm der Schweiß den Rücken entlanglief. Das wäre beinahe schiefgegangen. Im Hundekostüm, Zettel verteilend in der Fußgängerzone entdeckt zu werden, das hätte er Astrid niemals erklären können. Da würde sie es auf jeden Fall bevorzugen, ihn als Pizzafahrer zu sehen. Nach die sem Schreck war ihm der Spaß vergangen. Er lief an einigen Straßencafés vorbei und legte Zettel in die Speisekarten unbesetzter Tische. Wenn man so etwas mit ruhiger, selbstverständlicher Miene machte, fiel das meistens nicht auf, und bis der Kellner sie entdeckte und entfernte, hatten sie schon viele der Gäste gelesen. Es kam auf jeden Käufer an.
Als er am Auto ankam, stand Peter schon an die Motorhaube gelehnt, hatte die Hundekapuze runtergeklappt und qualmte.
Mattes sah ihn zweifelnd an: »Alle Zettel verteilt oder Ab bruch wegen zu großer Entzugserscheinungen nach zwei Stunden ohne Kippe?«
»Du glaubst doch nicht, dass ich ohne Kippe unterwegs
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