Wie immer Chefsache
Leute in den Park.«
Sie hielt ihn tatsächlich für einen Promi. Ihn, Mattes Reuter, der fast aus dem Nichts auf den Sessel des Chefredakteurs gekommen war, dessen erstes Heft morgen erst erscheinen würde, der aber im Fernsehen aufgetreten war. In seinen Augen hatte er mehr mit dem Hauptmann von Köpenick gemeinsam als mit einem erfolgreichen Promi. Ein Auftritt als Talkshowgast hatte gereicht, um ihn in die Riege der Prominenten zu erheben. Wenn er ehrlich war, war das kein schlechtes Gefühl. Er konnte sich gut vorstellen, wie es in der Zukunft ablaufen würde, wenn er mit Mina durch den Park ging. Die Leute würden verstohlen rübergucken, sich anstupsen und flüstern: »Da geht Mattes Reuter, der Mann, der das unglaublich erfolgreiche Hundemagazin macht!« – Ja, das hätte was. Die aufgeregte, rotgesichtige Frau neben ihm würde jedenfalls gleich sehr vielen anderen Leuten stolz erzählen, dass sie ihn getroffen hatte. Er konnte nur hoffen, dass die nicht alle blöd fragen würden: »Wen? Nie gehört.«
M ontag. Aber nicht irgendein stinknormaler Montag, sondern der ›doggies live’-Montag. Das Magazin lag in den Kiosken und Zeitschriftenläden bereit für den Siegeszug durch die Welt. Mattes wachte mit einem Grummeln im Bauch auf, das ihm immer noch sehr bekannt vorkam, auch wenn es viele Jahre zurücklag. Er war 11, und es war sein erster Tag als Stürmer beim BSC Weiß-Blau. BSC stand für Ball-Spiel-Club, eine Bezeichnung, die in den Augen der Fußballer ziemlich unwürdig war, aber auch die Volleyballer und die Altherren-Mannschaft der Brennballgruppe mit einschloss. Als neuer Stürmer in einem wichtigen Spiel eingesetzt zu werden war eine große Chance für ihn. Und er wusste, wenn er sie versiebte, war er wieder draußen, denn Daniel aus der Parallelklasse war ein starker Spieler und stand schon in Warteposition. Aber der Trainer hatte ihn, Mattes Reuter, für dieses Spiel auf die Liste gesetzt. Und Mattes gab alles. Er knallte den Ball tatsächlich einmal als unhaltbare Bombe ins gegnerische Tor und schaffte beinahe noch vier weitere Treffer, wobei die knapp nicht gemachten Tore dreimal am außergewöhnlich großen und breiten Torwart der Gegenmannschaft scheiterten und einmal an seinem Schnürsenkel, der sich kurz vor dem Schuss gelöst hatte und über den er gestolpert war. Insgesamt aber doch eine ordentliche Bilanz. Der Trainer hatte ihm auf die Schulter geklopft, die Freunde aus der Schule hatten ihm am Spielfeldrand zugejubelt, und sogar Daniel hatte ihm nach dem Spiel mit verkniffenen Lippen, aber anerkennend die Hand gegeben.
Am heutigen Montag war Mattes nicht nur der neue Stürmer, sondern auch der Trainer und sogar der Teammanager von ›doggies live‹. Es war sein erstes Spiel, alle guckten auf ihn, und er hatte nur diese eine Chance. Entweder ging das Magazin heute so ab, dass bis in die Ränge gejubelt wurde und La-Ola-Wellen rings um die Redaktion liefen, oder er konnte in die Kabine marschieren und seine Tasche packen.
Kaum war er in der Redaktion angekommen, wurde er so nervös, dass er es nicht auf seinem Sessel aushielt. Er pfiff leise nach Mina und lief mit ihr los. Wie zufällig nicht in den Park, sondern zu einem Zeitschriftenladen, der um die Ecke lag. Der kräftig gebaute und schwerfällig wirkende Händler hatte die am Morgen gelieferten Hefte noch nicht ausgepackt, aber Mattes drängte ihn so lange, bis er in den vielen Stapeln nach ›doggies live‹ guckte und schließlich fünf Exemplare ins Regal legte. Was für ein wunderschöner Anblick. Mattes lächelte gerührt. Das schönste Heft in der ganzen Regalreihe und ein wirklicher Hingucker mitten zwischen den Gartenzeitschriften und biederen Heimtiermagazinen.
»Sieht gut aus, was?«, grinste der Händler breit und zeigte auf das Heft.
»Allerdings«, lächelte Mattes stolz.
Der Mann stemmte die Arme in seine breiten Hüften, kniff die Augen zusammen und legte den Kopf schräg. Anerkennend sagte er: »Das ist mal ’n Schuss. Die ist doch immer im Fernsehen. Aber sie könnte oben rum ein bisschen mehr haben.«
Mattes blickte ihn empört an: »Es geht nicht um die Frau, es geht um das Gesamtpaket!«
Der Händler sah ihn debil an: »Häh?«
Mattes rückte die danebenliegenden Hefte etwas zur Seite und fragte: »Können Sie nicht noch mehr von diesen Hundemagazinen ins Regal legen? Hier ist doch noch Platz.«
Der Händler guckte ihn strafend an und rückte die Nachbarhefte wieder näher, sodass Saskia Hofmann an
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