Wie immer Chefsache
Angst, dass die außer Ihnen keiner haben will?«, fragte sie.
»Es war ein Verkaufstest«, erwiderte Mattes. »Ich wollte feststellen, wie gut in Zeitschriftenläden beraten wird, und habe Tipps für die Platzierung des Heftes gegeben.«
»Ah ja«, nickte Frau Althoff. »Vermutlich wieder eine Ihrer Chefsachen«, und sie zog arrogant die Augenbrauen hoch. Wie Astrid. Die konnte das auch immer so gut, wenn sie ihm etwas nicht glaubte. Wenn die beiden sich irgendwann zusammentun würden, würde er auswandern. Gar nichts packen, einfach so wie er war, mit Mina auf das nächstbeste Schiff und weg. Egal wohin, Hauptsache ganz weit weg.
Den Nachmittag über fragte Mattes immer wieder bei Frau Althoff nach, ob es schon Reaktionen gäbe, aber weder von Leserseite noch vom Verlag gab es Rückmeldungen. Nach zwei Testanrufen, bei denen Mattes in Zeitschriftenläden mit verstellter Stimme, die mit Sicherheit von den Verkäuferinnen sofort als äußerst primitiv verstellte Stimme identifiziert worden war, nach dem Magazin fragte und ihm bestätigt wurde, dass es noch zu haben wäre, gab er auf. Die Bilanz war auf jeden Fall sechs verkaufte Hefte. Die lagen bei ihm auf dem Schreibtisch. Es befanden sich also höchstens noch 39 994 Stück im Handel. Und wer weiß, vielleicht hatte irgendwo doch jemand zugegriffen und ein bis dahin unbekanntes Hundemagazin gekauft. Er könnte wetten, dass Saskia Hoffmann mindestens fünf gekauft hatte, die war so verrückt. Wenn er mal durchrechnete, da kam schon was zusammen. Nicht schlecht für den ersten Tag.
»Sie müssen den Käufern schon ein paar Tage Zeit geben«, mahnte Frau Althoff, als er zum mindestens zehnten Mal in ihr Büro kam, Mucki damit in den Wahnsinn trieb und zum wiederholten Male mit betont teilnahmslosem Gesichtsausdruck »Irgendwelche Reaktionen?« fragte.
»Gehen Sie nach Hause und lenken Sie sich ab!«, empfahl sie, und er folgte ihrem Rat, fuhr nach Hause und dachte ununterbrochen über das Magazin und die Zukunft der Redak tion nach. Wenn bis Ende dieser Woche nicht mindestens 5 000 Hefte verkauft waren – das war ein Achtel der Auflage und so viel, wie vorher von ›Hasso Herrchen – Finas Frauchen‹ über den Verkaufstisch gingen –, musste er die Sache als völlige Pleite einstufen. 5 000 Hefte in einer Woche, wer sollte die alle kaufen?
In der Nacht schlief Mattes unruhig und träumte von verschlossenen Läden, in denen das ›doggies live‹-Magazin in hohen Stapeln lag, während dicke, triefäugige Händler versicherten, sie könnten alles verkaufen, wenn nur Saskia Hoffmann endlich eine größere Oberweite hätte. Trotz der nervenaufreibenden Nacht parkte Mattes am Morgen pünktlich um acht Uhr sein Auto am See, um zu laufen. Fast im gleichen Moment hielt neben ihm Alex. Sie nickten sich lächelnd zu, stiegen in ihrer Laufkleidung aus und machten, während Mina das Gebüsch rund um den Parkplatz abschnüffelte, die ersten langsamen Dehnübungen.
Alex fragte neugierig nach: »Wie sieht es aus mit deinem Magazin? Hast du deinen Chefposten noch, oder bist du schon rausgeflogen?«
»Ich bin im Wartezustand«, sagte Mattes. »Gestern gab es auf jeden Fall überall Exemplare bei den Händlern, aber wir werden erst in den nächsten Tagen sehen, ob die auch gekauft werden.«
»Ach, wird schon«, antwortete Alex zuversichtlich.
Mattes blickte ihn an und sagte leise: »Ich finde, es ist ein richtig gutes Magazin geworden. Auch wenn es jetzt floppen sollte, bin ich stolz, dass ich das geschafft habe.« Er seufzte: »Die Welt ist vielleicht noch nicht reif für solche Glanzleistungen.«
»Wart doch erst mal ab!«, brummte Alex. »Die Hundeleute müssen das im Laden entdecken und in Ruhe zuhause lesen. Sie werden schon noch jubeln, dass Mattes Reuter ein begnadeter Hundekenner und Chefredakteur ist. Und wenn alles schiefgeht, kannst du immer noch zur ZEIT gehen.«
Sie liefen langsam los und bogen auf den Weg um den See ein. Alex sah ihn von der Seite an und grinste: »Du ein Hundeexperte, ist das nicht unglaublich? Ich seh dich noch hinter unserer Torwand verschwinden. Kannst du dich erinnern?« Mattes erinnerte sich gut. Sie und die anderen Kinder hatten damals eine große Plakatwand, die mitten in ihrer Wohnsiedlung stand, zu ihrer Torwand umfunktioniert. Das Torwandschießen des ›Aktuellen Sportstudios‹ auf dem heimischen Bürgersteig. Mit dicken Filzstiften hatten sie in die Ecken zwei große Kreise gemalt, die die Torlöcher darstellen sollten,
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