Wie Inseln im Strom
aber jetzt sind Sie ja reich. Außerdem ist sie jeden Cent wert, denn nur dort bekommen Sie meine berühmten Blätterteigschwäne.”
“Ich habe meine Karte schon”, erwiderte er. “Jennifer Lansing hat mich überredet. Offenbar kommt man nur so an ihre berühmten Hühnchenbrüste.”
Tilly schmunzelte. “Da wäre ich mir aber nicht so sicher, mein Junge”, erwiderte sie mit einem anzüglichen Lächeln.
Es reicht, dachte Lacy und stand so ruckartig auf, dass sie Tillys Orangensaft umstieß. Der Saft bildete auf der weißen Tischdecke eine kleine Pfütze und tropfte von dort auf die Spitze ihres Tennisschuhs. Die neu erwachte Lacy schien ebenso tollpatschig wie ihre Stieftochter zu sein.
“Tilly, ich muss gehen”, sagte sie und wischte die Pfütze mit ihrer Serviette auf. Dieser verdammte Kerl, dachte sie, obwohl sie beim besten Willen nicht wusste, wieso Adam an ihrem Missgeschick schuld war. “Ich habe noch viel zu erledigen.”
Adams blaue Augen leuchteten in der Morgensonne. “Kann ich helfen?”
“Nein”, lehnte sie ab, entsetzt darüber, wie sehr sein belustigter Blick ihr unter die Haut ging. “Ich … Es gibt noch so viel …”
“Um Himmels willen, dann geh. Adam wird mich zum Wagen bringen.” Tilly strich Lacy über den Arm und wandte sich mit einem unschuldigen Lächeln Adam zu. “Machen Sie sich keine Sorgen um Lacy. Sie ist ziemlich spät aufgewacht und hat eine Menge aufzuholen.”
Mit dem Backhandschuh schob Lacy sich das Haar aus dem Gesicht und starrte betrübt auf das Blech mit den Keksen – mehrere Reihen perfekt geformter Fragezeichen, die sie vor zwanzig Minuten gemacht hatte. Und jedes Einzelne war verbrannt.
In Tillys hochmoderner Küche roch es nach verkohltem Teig. Lacy schaute auf die Uhr. Viertel vor sieben. In einer Stunde und fünfzehn Minuten müsste das Gebäck am Strand sein. Doch die Gäste der Feinschmecker-Tour würden wahrscheinlich vergeblich auf Tillys legendäre Blätterteigschwäne warten.
Denn es gab keine Schwäne, nur diese geschwärzten Schwanenhälse auf dem Backblech.
Angie, die jüngste der ehrenamtlichen Helferinnen aus dem Krankenhaus, kam schnüffelnd in die Küche.
“Mrs. Morgan?” Sie rümpfte die Nase. “Ich soll Ihnen von Mrs. Barnhardt sagen, dass der Ofen manchmal zu heiß wird.”
Lacy brachte ein Lächeln zustande. “Ja, das habe ich gerade gemerkt.”
Angie folgte ihrem Blick. “Oje. Ich werde Mrs. Barnhardt Bescheid sagen. Der Doktor ist gerade bei ihr, aber …”
“Nein.” Lacy schüttelte nachdrücklich den Kopf. “Ich möchte nicht, dass sie sich aufregt.” Sie warf einen Blick auf die Uhr. Sechs Uhr achtundvierzig. “Es ist noch Zeit. Wenn ich genug Teig habe, fange ich noch einmal von vorn an.” Sie kippte die verbrannten Schwanenhälse in eine Plastiktüte. “Hier. Würden Sie die in den Mülleimer werfen, bitte?”
Angie eilte davon, während Lacy den restlichen Teig aus dem Kühlschrank nahm. Zum Glück hatte Tilly ihn vorbereitet – Lacy hätte nicht gewagt, ihre eigenen bescheidenen Erzeugnisse als Tillys berühmte Spezialität auszugeben.
Sie versuchte, sich zu konzentrieren. Ihre Hände zitterten, als sie sich daran machte, neue Schwanenhälse zu formen. Sie wollte nicht in der Küche sein, sondern oben bei Tilly. Sie wollte hören, was der Arzt sagte. Stattdessen musste sie sich hier unten mit dem widerspenstigen Teig abmühen.
Oh Tilly, du trotziger alter Drache. Wie konntest du nur so etwas Dummes tun?
Früher am Nachmittag hatte Angie sie voller Panik auf dem Handy angerufen. Tilly war in Ohnmacht gefallen. Lacy hatte sofort geahnt, was geschehen war. Und als ihre Freundin wieder zu sich kam, bestätigte sie Lacys Verdacht. Fest entschlossen, ihr Backwerk zu probieren, hatte Tilly sich eine Extradosis Insulin gespritzt und war kurz darauf in der Küche zusammengebrochen.
Das war jetzt zwei Stunden her. Der Doktor war sofort gekommen, und Tilly ging es schon besser. Aber sie war so schwach, dass Lacy vorschlug, die Blätterteigschwäne ausnahmsweise mal vom Bäcker zu holen. Tilly wollte nichts davon hören, also hatte Lacy sich bereit erklärt, das Gebäck an ihrer Stelle zuzubereiten.
Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren. Sie benötigte drei Anläufe, um die Tülle an der Spritztüte zu befestigen. Bevor sie das Blech mit den neuen Hälsen in den Ofen schob, drehte sie die Hitze herunter. Dann wandte sie sich den Schwanenrümpfen zu, von denen hundert Stück ohne Köpfe auf der
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