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Wie Inseln im Strom

Wie Inseln im Strom

Titel: Wie Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O`Brien
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Rosa. Ihr Kleid hatte kleine Knöpfe, vom Kragen bis zum Rocksaum, und Puffärmel, die bis über die Ellbogen reichten. Es war ein Kleid, wie ein Mädchen es trug, wenn es mit ihrem Verlobten seine Großmutter besuchte.
    Außerdem hatte sie ihr wildes Haar mit einem weißen Band zu einer Art Zopf gebändigt. Und sie trug flache weiße Pumps. Und eine Strumpfhose. Wo um alles in der Welt war sie gewesen?
    “Was ist los?” Lacy blieb in der Tür stehen.
    “Das kann dir doch egal sein.” Gwen drückte die geballten Fäuste ins Kissen und wehrte sich gegen die Tränen. “Lass mich einfach in Ruhe.”
    Lacy gab nicht auf. Sie hatte nicht erwartet, dass es einfach sein würde. “Kann ich irgendetwas für dich tun?”
    Gwen lachte bitter. “Oh, du hast schon genug für mich getan, liebe Stiefmutter. Mehr als genug.” Sie funkelte Lacy an. “Als du mich bei Tina Seville schlecht gemacht hast, wusstest du da schon, dass ich mich bei ihr bewerben wollte?”
    Lacy antwortete nicht gleich. Offenbar hatte Gwen sich um eine Stelle als Lehrerin in Tina Sevilles privater Grundschule bemüht. Das allein war schon eine Überraschung. Aber es musste mehr sein. Anscheinend hatte Tina ihr von etwas erzählt, das Lacy gesagt hatte. Etwas Negatives über Gwen …
    Lacy errötete. Sie hatte Tina in der letzten Woche angerufen, weil die sich über Gwens Verhalten auf der Strandparty entrüstet hatte. Sie hatte sich für Gwen entschuldigt. Plötzlich schämte Lacy sich dafür. Sie hätte der alten Spießerin gehörig die Meinung sagen sollen, anstatt um Verständnis zu bitten.
    “Wenigstens hast du den Anstand, verlegen auszusehen”, sagte Gwen. “Nicht, dass es jetzt noch hilft. Tina Seville will kein Mädchen einstellen, dessen eigene Stiefmutter es für ein Flittchen hält.”
    Lacy wollte sich nicht verteidigen. Ihr schlechtes Gewissen ließ es nicht zu. Sie hatte nicht gesagt, dass Gwen sich wie ein Flittchen benahm, aber sie hatte zugelassen, dass Tina Seville es in ihrer Gegenwart behauptete. Das hätte sie nicht tun dürfen. Gwen war kein Flittchen.
    Sie hatte Teddy Kilgore einige Mal in aller Öffentlichkeit geküsst und sinnlich mit ihm getanzt. Und einmal hatte sie Dalton Seville zugezwinkert und dabei einen scherzhaft übertriebenen Kussmund gemacht. Das war alles. Nur ein Moralapostel wie Tina würde sich darüber aufregen.
    “Das tut mir leid”, sagte Lacy. “Ich hatte keine Ahnung, dass du dich bei ihr bewerben wolltest. Ehrlich gesagt, ich bin erstaunt. In Tinas Schule gehen die Sprösslinge all der snobistischen Aufsteiger, die du immer verachtet hast.”
    “Die Eltern interessieren mich nicht”, erwiderte Gwen hitzig. “Mir geht es um die Kinder. Du verstehst das nicht, weil du Kinder nicht ausstehen kannst. Du hast keine Ahnung von Kindern.”
    “Es tut mir leid”, sagte Lacy ein zweites Mal. Gwen hatte recht. Sie hatte wirklich keine Ahnung von Kindern. Sie hatte sich immer eingeredet, dass sie nie die Chance bekommen hatte, etwas über Kinder zu lernen. Jetzt wurde ihr klar, dass das eine Ausflucht gewesen war. Gwen war ihre Chance gewesen, und sie hatte sie nicht genutzt.
    “Ich wünschte, ich könnte es dir heimzahlen”, fuhr Gwen fort. “Ich wünschte, ich könnte dir einen Traum verderben, nur damit du weißt, wie sich das anfühlt. Aber das kann ich ja nicht. Denn du hast gar keine Träume. Dich interessieren nur Geld und dein Ansehen als größter Snob auf dieser versnobten Insel.”
    “Gwen …”
    “Verschwinde”, fuhr Gwen sie mit tränenerstickter Stimme an. “Und komm nie wieder in mein Zimmer.”
    Sie hasst mich, dachte Lacy voller Entsetzen und machte einen Schritt nach hinten, als hätten Gwens harsche Worte sie wie ein Schlag ins Gesicht getroffen.
    “Es tut mir wirklich leid”, versicherte sie Gwen zum dritten Mal. “Ich hatte keine Ahnung, dass du bei Tina arbeiten wolltest.”
    “Doch, das wollte ich”, schluchzte Gwen und verbarg das Gesicht hinter dem Kissen. “Ich wollte es wirklich. Wie konnte ich nur so dumm sein?”
    Den ganzen Samstagnachmittag hielt Lacy nach Gwen Ausschau. Seit der Vergnügungspark am Mittag seine Pforten geöffnet hatte, strömten Touristen vom Festland und die feine Gesellschaft von Pringle Island aufs Gelände. Lacy war Kartenabreißerin beim Kinderkarussell und sah von dort aus fast jeden, den sie auf der Insel kannte.
    Jeden bis auf Gwen.
    Adam kam um sechs, als Lacys Schicht endete und ihr Date beginnen sollte. Während der letzten Stunde

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