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Wie Inseln im Strom

Wie Inseln im Strom

Titel: Wie Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O`Brien
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zu feiern. Der Park war vor fünfzig Jahren stillgelegt und erst kürzlich vom Geschichtsverein aufwendig restauriert worden.
    Als Lacys Telefon zum wiederholten Mal läutete, schüttelte sie unwillig den Kopf. Leute, die keinen Cent für die Neugeborenenstation gespendet hatten, überschlugen sich plötzlich vor Eifer und wollten unbedingt am Samstag einen Stand auf dem altmodischen Jahrmarkt errichten, Essen mitbringen oder in der Stadt Plakate aufhängen. Oder es war wieder ein Reporter. Sämtliche Fernseh- und Radiosender der Umgebung wollten über das Fest berichten.
    Aber es war kein Journalist, sondern Adam.
    “Hi”, sagte er, und die kurze Silbe reichte aus, ihr Herz schneller schlagen zu lassen. Seit sie in Boston gewesen waren, hatte sie nicht mehr mit ihm gesprochen. Zehn Jahre lang hatte sie seine Stimme nicht gehört, und jetzt erschienen ihr fünf Tage wie eine Ewigkeit.
    “Selber hi”, erwiderte sie. Was war los mit ihr? Sie war kein junges Mädchen mehr. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie bald wieder Zöpfe tragen und wie ein Teenager flirten.
    “Ich rufe nur an, um zu fragen, ob du Hilfe brauchst”, sagte er und lächelte. Sie hörte es ihm an.
    “Danke für das Angebot, aber ich schaffe es allein. Noch hat es hier keine Krisen oder Katastrophen gegeben.”
    “Keine Blätterteigschwäne? Ich backe tolle Blätterteigschwäne.”
    Lacy schmunzelte. “Ich weiß.”
    “Ich rufe auch an, weil ich dich um einen Gefallen bitten möchte.”
    “Gern. Ich bin dir einen schuldig. Was kann ich für dich tun?”
    “Eine Verabredung.”
    Sie lachte, spürte jedoch, wie sie immer nervöser wurde. “Du brauchst doch keine Hilfe, um zu einem Rendezvous zu kommen. Jennifer Lansing würde sich am liebsten in Geschenkpapier wickeln und vor deine Tür legen. Und wie ich höre, ist das Restaurant im Cartwright Hotel zum beliebten Treffpunkt der jungen Schönen von Pringle Island geworden. Außerdem interessieren sich selbst die unsportlichsten Damen der Gesellschaft plötzlich für Golf …”
    “Lacy.” Noch immer lag ein Lächeln in seiner Stimme. “Ich will nicht, dass du mir ein Date arrangierst. Ich will, dass du mein Date bist.”
    “Oh.” Sie wollte sich nicht darüber freuen. Es wäre viel einfacher, Nein zu sagen. Nein, nein, nein. “Wann?”
    “Samstag. Auf dem Jahrmarkt.”
    “Ich werde den ganzen Tag dort sein”, wich sie aus. “Du kannst mich nicht verfehlen.”
    “Das reicht mir nicht. Es gibt nichts Traurigeres, als allein auf einen Jahrmarkt zu gehen. Wer sagte mir, wie toll ich bin, wenn ich am Schießstand alle Enten abschieße? Wer tröstet mich, wenn ich es nicht schaffe, den Ring um die Flasche zu werfen? Wer hält meine Hand, wenn mir im Riesenrad schwindlig wird?”
    Sie musste lachen. “Du weißt genau, dass du meine halten müsstest. Ich habe schreckliche Höhenangst.”
    “Ja, das weiß ich. Und deshalb will ich, dass du meine Verabredung bist. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich dich im Riesenrad immer schützend an mich gedrückt.”
    Schlagartig stiegen in Lacy Erinnerungen auf – an bunte Lichter, eine schwankende Gondel, kalten Wind und wärmende Arme. Sag Nein, befahl ihr Verstand. Mach einfach den Mund auf und sag Nein.
    “Einverstanden”, sagte sie. “Aber das mit dem Riesenrad kann ich dir nicht versprechen.”
    Lacy hatte kaum den Hörer aufgelegt, als sie die Haustür knallen hörte.
    Gwen. Sie warf einen finsteren Blick in die Küche und wandte sich ruckartig ab. Dann rannte sie die Treppe hinauf, verschwand in ihrem Zimmer und warf auch diese Tür hinter sich zu.
    Lacy ließ sich nicht aus der Fassung bringen. Sie hatte schon vor Jahren gelernt, Gwens Launen zu ignorieren. Ihre Stieftochter würde ihr nicht erzählen, was los war, und Lacy würde sie nicht fragen.
    Aber sosehr ihre Stieftochter und sie versuchten, sich wie Fremde zu behandeln, sie waren keine Gäste in einer Hotelpension. Sie waren eine Familie, wenn auch keine heile.
    Lacy zögerte. Gwen brauchte sie. Der laute Auftritt war eine Botschaft gewesen. Ein Hilferuf.
    Langsam ging sie die Treppe hinauf und klopfte an die geschlossene Tür. “Darf ich hereinkommen?” Sie bekam keine Antwort, also öffnete sie leise die Tür. “Gwen?”
    Gwen saß im Schneidersitz auf dem Bett, das zerknüllte Kissen auf dem Schoß. Tränen liefen ihr über das Gesicht.
    Lacy erkannte sie kaum wieder. Das lag nicht nur am verweinten Gesicht. Gwen trug Rosa. Kein Neonrosa, kein Punkerrosa. Einfach nur

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