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Wie Jakob die Zeit verlor

Wie Jakob die Zeit verlor

Titel: Wie Jakob die Zeit verlor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Stressenreuter
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schon wieder?“
    „Immer noch“, murmelte Jakob, drückte Beppo fünfzig Pfennig für die Garderobe in die Hand und verstaute sein Märkchen im Portemonnaie.
    „He“, sagte Beppo und deutete beinahe anklagend auf Jakobs Gesicht. „Ist der neu?“
    Ertappt fuhr Jakob durch die schwarzen Stoppeln auf seinen Wangen. „Schnäuzer hat doch jeder. Dreitagebart ist mal was anderes.“
    Beppo grinste. „Stimmt. Letztes Wochenende war ich mit meiner besten Freundin in Berlin. Carlotta, der kleine Dicke, kennst du bestimmt … nein? … na, ist ja auch egal. Jedenfalls, wir waren zusammen im ‚Knast‘ und …“
    „‚Knast‘?“
    Beppo rollte die Augen. „Die Lederkneipe in der Fuggerstraße.“
    „Ich war noch nie in Berlin.“
    „Solltest du mal nachholen. Da geht’s richtig ab. Nicht so öde wie hier in Köln.“
    „Wart ihr auch im Osten?“
    „Bist du bescheuert? Da kriegt man doch nur Depressionen. Außerdem sind wir zum Ficken dahin … ähm, was wollte ich erzählen?“
    „Irgendwas mit Carlotta.“
    „Richtig.“ Beppo hängte Jakobs Jacke auf einen Bügel und verstaute sie an der Garderobenstange. „Also, wir stehen da im ‚Knast‘, trinken ein Bier, und dann sagt Carlotta plötzlich: ‚Siehst du den da vor uns? Der mit dem Schnäuzer und der Lederjacke? Der baggert mich die ganze Zeit an.‘ Ich dreh mich um, und da stehen sage und schreibe acht Typen mit Schnäuzer und Lederjacke. Die sahen alle aus wie Klone von diesem amerikanischen Pornostar … ich komm jetzt bloß nicht auf den Namen … irgendwas mit P.“
    „Al Parker?“
    „Kann sein. Al Parker. So viel zu Gruppenzwang … nein, jetzt weiß ich’s wieder: Pierce Daniels.“
    „Mit dem würde ich auch ins Bett gehen.“
    „Schätzchen“, erwiderte Beppo, „stell dich hinten an! Sieht jedenfalls gut aus, dein Bart. Passt zu deinen dunklen Haaren.“
    Für einen Moment hatte Jakob den Eindruck, von Beppo angemacht zu werden. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Türsteher einen Gast abgriff. Aber er hatte gehört, dass Beppo ein Problem mit Alkohol hatte, außerdem war er sowieso nicht sein Typ. Jakob warf einen Blick Richtung Eingang. „Ist schon was los?“
    Beppo zuckte mit den Schultern und schien das Interesse an Jakob bereits verloren zu haben. Gelangweilt ließ er sich auf seinen Barhocker zwischen den Jacken und Mänteln fallen, friemelte eine Zigarette aus der Hosentasche und zündete sie an. „Ist doch erst elf. Wird schon noch. Heute ist Freitag.“
    Das „Pimpernel“ bestand aus drei Etagen. Im Keller waren die Toiletten untergebracht und eine kleine Bar, deren Hauptattraktion die Pornos waren, die dort als Super-8-Filme auf die Leinwand geworfen wurden, später gab es dann Videokassetten und einen Fernseher. Neben der Bar konnte man sich durch einen schmalen Gang an Holzbrettern vorbei in einen winzigen Darkroom unter der Treppe quetschen, der seinem Namen alle Ehre machte. Sobald man den Einfallswinkel des Lichts verlassen hatte, den die flackernden Sexfilme warfen, und einen Schritt in den Verschlag tat, war es so dunkel, dass man Mühe hatte, sein Gegenüber zu erkennen. Die Wände rochen nach kaltem Rauch und Moder.
    Eine Etage höher, im Erdgeschoss, befand sich im hinteren Bereich die eigentliche Diskothek, mit einem DJ-Pult, einer großen Tanzfläche, seitlich an den Wänden nach oben aufsteigenden Podesten und einer riesigen, glitzernden Diskokugel. Der vordere Teil des Raums wurde von einer rustikalen Bar mit schweren Holzbalken und niedriger Decke eingenommen, die sich an der rechten Wand entlangschlängelte.
    In der ersten Etage befand sich eine Art Café, in der ruhigere Musik gespielt wurde, Sitzmöglichkeiten zum Verweilen einluden und wo man sich auch tatsächlich unterhalten konnte – im Gegensatz zur Diskothek. Alles war ein bisschen schäbig, ein bisschen heruntergekommen; die besten Zeiten des „Pimpernel“ waren in den siebziger und Anfang der achtziger Jahre gewesen, als es einer der größten und bekanntesten schwulen Clubs der Bundesrepublik war. Jakob hatte sogar Freddy Mercury hier gesehen. Zusammen mit Barbara Valentin hatte er getanzt und später einen hässlichen, kleinen Milchreisbubi mit Pickeln im Gesicht abgeschleppt. Es war wochenlang das Thema Nummer Eins gewesen.
    Mittlerweile musste sich das „Pimpernel“ der Konkurrenz vieler anderer Bars und Kneipen erwehren und zehrte vor allem von seinem langsam verblassenden Ruhm. Dennoch war es für viele noch immer der erste

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