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Wie Jakob die Zeit verlor

Wie Jakob die Zeit verlor

Titel: Wie Jakob die Zeit verlor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Stressenreuter
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vorne konzentrierte. Am Morgen der ersten Einnahme hatte er eine der unscheinbaren, blauweißen Pillen in die Hand genommen und gesagt: „Tut mir nichts, ich tue euch auch nichts. Bitte.“ Jakob hatte entnervt die Hände in die Seiten gestemmt, während Marius Trumi auf den Arm genommen und die Tür seines Zimmers hinter sich geschlossen hatte.
    Ein bulliger Kerl mit Schnäuzer lief auf die Anhöhe zu und stapfte an ihm vorbei, die Beine steckten in einer engsitzenden Jeans, die Lederjacke war lässig über die Schulter geworfen, die Lederkappe tief ins Gesicht gezogen. Etwas kleiner als Jakob, etwas älter vielleicht. Macho. Abweisend. Für einen Moment trafen sich ihre Augen, entschieden sich. Jakob fühlte das Blut in seinen Unterleib rauschen, den Puls in seinen Schläfen pochen. Er sah dem entschlossenen Gang nach, den entschiedenen Schritten der schwarzen Bundeswehrstiefel, dem breiten Kreuz, das im Dickicht der Bäume verschwand und Dominanz, Härte und Lust versprach. Wie gebannt folgte er dem Mann abseits der Wege, stolperte über Wurzeln, bog Äste zur Seite, die ihm ins Gesicht zu schlagen drohten. Bis er den Mann verloren glaubte, enttäuscht innehielt und „Scheiße!“ murmelte. Bis sich eine Pranke auf seine Schulter legte und ein leises, überraschend freundliches Lachen ihn herumfahren ließ.
    „Hier bin ich.“
    Hungrig stürzte sich Jakob auf ihn, vergrub sich in der fremden Umarmung, die einen Schauer über seinen Rücken jagte, riss sich Jacke und T-Shirt vom Leib und presste seine Lippen wild auf den Mund des Fremden. Und plötzlich wurde das Ungestüme von Zärtlichkeit ausgebremst; da waren Finger, die kaum merklich über seinen Oberkörper strichen und die Haare auf der Brust elektrisch aufluden und Jakob zu unfreiwilligem Stöhnen veranlassten. Dann eine Handfläche, die sich energisch um seinen Mund schloss, und Lippen, die seinen Schwanz verschluckten, bis er glaubte, in der feuchten Wärme zu explodieren.
    Der Mann richtete sich auf, und Jakob sah keuchend in tiefschwarze, blitzende Augen. „Mehr?“
    Als ob der Kerl die Antwort nicht wüsste, als ob er an Jakobs Reaktion nicht gemerkt hätte, was er in ihm auslöste. Aber anstatt einer flapsigen Bemerkung brachte Jakob nur ein heftiges, staunendes Nicken zustande.
    Doch dann war er auf einmal derjenige, der austeilte, der vorgab, der die Hände des anderen auf den Rücken zwang, ihn unter seine Kontrolle brachte und den Sieg mit Zärtlichkeit belohnte, mit sanften Küssen und vorsichtigen Bissen in die Brustwarzen, bis er in die geweiteten Augen des anderen Mannes blickte, die Vertrauen signalisierten und den Willen, sich bedingungslos fallen zu lassen. Jakobs Höhepunkt kam schnell, viel zu schnell, er hätte noch stundenlang den Körper und die Grenzen des anderen erkunden können, und mit einem Grunzer der Enttäuschung ließ er von ihm ab.
    Plötzlich fühlte er sich unendlich erschöpft, als hätte er mit seinem Höhepunkt auch alle Energie verschossen. Mit einem Nicken wollte er sich davonstehlen, als er zurückgehalten wurde.
    „Kann man dich auch mal näher kennenlernen?“
    „Ähm … klar. Aber … na ja, ich bin befreundet.“ Er brachte es beinahe wie eine Entschuldigung hervor.
    Ein frustrierter Seufzer antwortete ihm. Dann, etwas zögernd: „Trotzdem.“ Und ein neugieriges Lächeln, das im fahlen Mondschein eine schmale Lücke zwischen den Schneidezähnen offenbarte und ein Grinsen auf Jakobs Gesicht zauberte. Wie niedlich! Er malte sich aus, wie es wäre, mit diesem Mann in seinen Armen einzuschlafen.
    „Und wie heißt du?“, fragte er.
    „Stefan.“
    Ohne zu wissen, wieso, stürzte Jakob nach vorne und vergrub sich erneut in einer Umarmung, roch den herben Duft des Leders, den Schweiß auf dem Nacken des anderen. „Stefan“, murmelte er. Dann kramte er Zettel und Kuli aus seiner Jacke, schrieb hastig seinen Namen und seine Telefonnummer darauf und drückte ihn Stefan in die Hand. Anschließend verschwand er in der Dunkelheit.
    Später, als er neben Marius lag und dessen ruhigen und gleichmäßigen Atemzügen lauschte, konnte er noch immer nicht einschlafen.
    Silky Legs hat den Raum streichen lassen, in dem die Therapiesitzungen stattfinden. Anstelle des warmen Weißtons schimmert jetzt ein tiefes Gelb an den Wänden, das Jakob das Gefühl gibt, im Innern eines Eidotters zu sitzen. Er überlegt, ob die Wahl der Farbe aufgrund neuer Erkenntnisse in der Psychotherapie getroffen wurde, aber er behält seine

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