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Wie keiner sonst / ebook (German Edition)

Wie keiner sonst / ebook (German Edition)

Titel: Wie keiner sonst / ebook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas T. Bengtsson
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ihren Rücken zu sehen. Wir folgen ihr auf die Terrasse.
    »Hier habe ich als Kind gespielt«, sagt sie. Wir schauen über eine ungepflegte Wiese, an deren Rand dichte Büsche und Bäume stehen.
    »Ich kannte den Garten am allerbesten. Bevor er zugewachsen ist, natürlich.«
    Ich höre einen schabenden Laut, wahrscheinlich kratzt sie sich.
    »Ich möchte, dass du mir einen Weg baust. Es muss kein schöner Weg sein. Nicht alles Schöne ist auch gut. Ich will nur spazieren gehen, ohne mir den Hals zu brechen. Glaubst du, du kriegst das hin?«
    »Natürlich.« Mein Vater klopft ihr auf die Schulter. »Aber es wird eine Weile dauern.«
    Am Schatten der alten Dame kann ich erkennen, dass sie nickt.
    »Und es wird kein gerader Weg. Er soll sich winden wie die alten Bäume.«
    Wieder nickt der Schatten.
    »Deshalb habe ich dich gerufen.«
    Die alte Dame ist wieder hineingegangen, und ich folge meinem Vater rund um das Haus. Ich stolpere über die dicken, gelben Grasbüschel. Mein Vater öffnet den Gartenschuppen, und wir hören, wie viele kleine Tiere vor dem Licht flüchten. An der Wand hängt Werkzeug. Mein Vater nimmt eine Motorsäge vom Haken und fährt mit den Fingern über das Gehäuse.
    »Deutsches Fabrikat«, sagt er. »Über fünfzig Jahre alt. Das Beste, was es gibt.« Er poliert das Markenzeichen mit dem Ärmel, ein Bär mit großen Klauen und gefletschten Zähnen.
    »Niemand stellt heute noch so ein Werkzeug her. Allein die Säge ist so viel wert wie ein moderner Kleinwagen.«
    Er schraubt den Tankdeckel auf, zieht eine kleine Flasche aus der Tasche und schüttet den Inhalt in den Tank.
    »Wollen wir wetten, dass sie startet?« Er zieht an der Schnur, die Säge hustet und springt an.
    Mein Vater ist der Einzige im Restaurant ohne Anzug, ich bin der Einzige in kurzen Hosen. Der Kellner sieht uns merkwürdig an, bis wir das Teuerste von der Karte bestellen. Zwischen Vorspeise und Hauptgericht zählt mein Vater die Scheine. »Unser Vorschuss«, flüstert er und trinkt seinen Rotwein aus. Dann bestellt er noch eine Limonade für mich.
    »Du darfst nie sparen«, sagt er. »Na ja, außer, wenn du etwas sehr gern haben möchtest. Ein Fahrrad zum Beispiel. Auf ein Fahrrad kannst du sparen. Aber Geld ist nichts zum Aufheben. Leute, die Geld verstecken, werden unglücklich. Gib es aus, es kommt schon wieder.«
    Einmal hatte ich ein Fahrrad. Ich denke daran zurück, während ich aus einer klitzekleinen Schale Suppe esse, in der eine Art Pilz schwimmt, die ich noch nie gesehen habe. Ich hatte ein Fahrrad, aber dann mussten wir weiter in eine andere Stadt. Wir putzten es, ölten die Gangschaltung und pumpten die Reifen auf. Dann stellten wir es ohne Schloss an eine Kreuzung.
    Nachts träume ich von der alten Dame. Sie öffnet den Mund, und ein Käfer krabbelt zwischen ihren Lippen hervor. Er beschnuppert die Welt, wackelt mit den Fühlern, dann stößt er sich von ihren Zähnen ab. Er schwebt einen Augenblick in der Luft, dann öffnet sich der dunkle Panzer, und die Flügel kommen zum Vorschein. Hinter ihm folgen noch mehr Käfer. Sie schwirren um ihren Kopf. Ihre Augen sitzen tief in der Stirn, zwei schwarze Knöpfe. Ich weiß nicht, ob sie weint oder lacht, ich glaube, sie versucht zu lachen.

I ch wage mich nur so tief in den Garten, dass ich meinen Vater noch auf der Terrasse sehen kann. Wo das dicke, gelbe Gras aufhört, stehen die Obstbäume. Ich pflücke Äpfel und Birnen, esse sie und schaue meinem Vater bei der Arbeit zu. Er hat eine dunkelgrüne Plane über den Holzboden gebreitet und nimmt die Maschinen auseinander. Mit einem weißen, in Spiritus getauchten Lappen säubert er jedes Einzelteil. Dann fettet er alle Zahnräder gründlich ein und setzt sie wieder an ihren Platz im Gehäuse. Ein Geruch von Öl und Benzin liegt in der Luft.
    »Guck mal hier«, sagt er und zeigt mir ein Zahnrad von der Motorsäge. Ich kann nicht erkennen, was daran besonders sein soll.
    Er hält meinen Finger, damit ich spüre, wie gleichmäßig die Zacken noch sind. Keine Abnutzung, nicht der kleinste Gussrand.
    Hinter mir knarren die Planken, der Schatten der alten Dame taucht auf.
    »Du darfst so viel Obst essen, wie du willst«, sagt sie. »Aber stecke keine Frucht in den Mund, die du nicht kennst. Die Vögel werden von den Farben angelockt und können es nicht sein lassen, davon zu probieren. Mach es ihnen nicht nach.«
    Im Augenwinkel sehe ich ihre bordeauxroten Schuhspitzen.
    »Die Leute denken, die Natur sei immer gut, aber sie

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