Wie keiner sonst / ebook (German Edition)
aber ich weiß nicht mehr, wie sie aussahen. Als hätte ein anderer es erlebt, als wüsste ich es nur vom Hörensagen. Ich nicke meinem Vater zu, doch, die kleinen Affen waren süß.
Mein Vater kauft keine Zeitungen, wir gehen nicht mehr zum Kiosk. Seinen Tabak kauft er beim Brötchenholen, bevor ich aufstehe.
Nachts liege ich im Bett und kann nicht schlafen. Erst wenn die Sonne aufgeht, werden meine Augenlider schwer. Dann kommen die Träume. Ich sehe den Chef vor mir.
Am Morgen versuche ich, meine Träume zu zeichnen, ich will einen Bären in Arbeitshosen malen, groß, braun und zottig. Ich will das Bild angucken, darüber lachen und es zerknüllen. Aber jedes Mal erstarre ich beim ersten Strich. Ich kann es nicht zeichnen, mir wird schlecht, sobald ich den Stift ansetze. Ich schiebe Papier, Buntstifte, Wasserfarben und Pinsel tief unter das Bett. So tief, dass ich mich bücken muss, um sie zu sehen.
Heute Nacht liege ich wieder wach, bis die Sonne aufgeht. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich den Chef tanzen.
Meinem Vater sage ich nichts, er möchte, dass ich fröhlich bin.
Wir gehen durch die Stadt, und ich esse ein riesengroßes Eis. Es war nicht leicht, im Winter eine geöffnete Eisdiele zu finden, wir haben lange gesucht. Wir gehen nach Nyhavn, dem »neuen Hafen«, von dem mein Vater sagt, er sei sehr alt. Gebaut von schwedischen Kriegsgefangenen. Die Erdbeersoße läuft an der Eiswaffel herunter, und ich lecke sie ab. Plötzlich muss ich weinen und kann nicht mehr aufhören.
D raußen ist es noch dunkel. Mein Vater läuft auf Socken in der Küche herum. Er macht alles so lautlos wie möglich. Mit einer nicht angezündeten Zigarette im Mundwinkel schleicht er sich an meiner Tür vorbei, die Schuhe in der Hand, die Jacke über der Schulter.
Als er sieht, dass ich wach bin, fragt er, ob ich nicht Lust hätte, weiterzuschlafen. Er verspricht, wieder da zu sein, bevor ich aufwache. Ich schüttle den Kopf, und er hilft mir in die Kleider. Mehrere Schichten, die sauberen über den schmutzigen.
Kurz nach vier stehen wir auf einem Parkplatz hinter einem Supermarkt. Um uns herum haben sich Menschen in kleinen Gruppen versammelt. Beim letzten Mal hat mein Vater erklärt, wer sie sind. Die mit den roten Augen sind Studenten. Die Dunkelhaarigen mit den Schnauzbärten sprechen Sprachen, die ich nicht verstehe. Sie haben Thermoskannen dabei und trinken Kaffee aus kleinen Gläsern.
»Sie sind hierhergekommen, weil es hieß, dass es bei uns Arbeit gibt. Und nun stehen sie hier«, sagt mein Vater.
Ein Lieferwagen fährt auf den Parkplatz. Die Leute werfen die Zigaretten weg und laufen auf den Wagen zu, die Gruppen geraten durcheinander.
Es gibt selten genug Zeitungen für alle, aber mein Vater bekommt immer welche, auch wenn viele vor ihm in der Schlange stehen. Der Mann auf der Ladefläche winkt meinen Vater heran: »Schließlich soll man die eigenen Leute nicht vergessen«, sagt er und reicht ihm ein paar Stapel.
Ich weiß, dass ich keine große Hilfe bin. Ich bin viel langsamer als mein Vater. In den Treppenhäusern rennt er sofort nach oben, ich höre seine Schritte, er nimmt drei Stufen auf einmal. Für das Erdgeschoss bin ich zuständig, ich passe auf, dass ich keinen Briefkasten vergesse.
Am Morgen hat mein Vater geschwollene, schwarze Hände. Auf dem Heimweg begegnen wir vielen Menschen auf dem Weg zur Arbeit. Wenn wir früh genug fertig sind, gehen wir zur Hintertür der Bäckerei und klopfen an. Dann ist das Brot billiger und schön warm. Manchmal bekommen wir kostenlos, was sie nicht verkaufen können, und stopfen uns voll mit durchlöcherten Brötchen, verdrehten Blätterteigstückchen und Hörnchen, die aus Versehen gerade geworden sind.
Am nächsten Morgen versucht mein Vater wieder, sich davonzuschleichen. Wenn es ihm gelingt und die Sonne schon ins Zimmer scheint, wenn ich die Augen aufmache, liege ich im Bett und frage mich, wer nun die Erdgeschosswohnungen für ihn machen soll.
I ch esse Brötchen und trinke warmen Kakao im Bett.
Als ich mit dem Frühstück fertig bin, sagt mein Vater, dass ich mich schnell anziehen solle. Ich werde mein Geschenk bekommen.
Diesmal ziehe ich meinen Vater hinterher. Ich weiß zwar nicht, wohin wir wollen, aber es geht nicht schnell genug.
Vielleicht hat er sich das Feuerwehrauto zusammengespart. Das rote Feuerwehrauto aus Metall, mit echtem Blaulicht und echten Spritzen. Man muss nur einen Knopf auf dem Dach drücken. Der Spielzeugladen liegt an der Ecke,
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