Wie Kinder heute lernen
Fachlehrer in den Bereichen). Das Argument ist schnell benannt: Die Fächer
seien auf dem Zeugnis und für den Übertritt an weiterführende Schulen nicht so bedeutsam. Aber das ist ein Irrglaube, dem alle Experten sehr entschieden entgegentreten. Auch die Gründe für die Missachtung sind schnell aufgezählt: So fehlen in 20 Prozent der Schulen geeignete Sportstätten, der Schwimmunterricht wurde aus organisatorischen Gründen in vielen Grundschulen abgeschafft. Und es mangelt an ausgebildeten Sportpädagogen. Erschwerend hinzu kommt, dass selbst in einer Sportstunde sich jedes Kind höchstens acht bis zwölf Minuten bewegt. Experten fordern daher eine Sportstunde täglich.
Gerade in unserem leistungsorientierten System ist es enorm wichtig, ja entscheidend, dass den Schülern Raum für Kreativität und Bewegung gegeben wird. Dies schult Fähigkeiten, die für das Leben nach der Schule mindestens so wichtig sind wie Mathe und Deutsch. Im Kunstunterricht, in der Theatergruppe, in der Musikband, im Orchester, im Chor oder beim Flötenspiel kommen Aspekte wie Emotionalität und soziales Miteinander meist viel stärker zum Tragen als in den sogenannten Hauptfächern. Hier entstehen Leidenschaften fürs Leben, hier lernen sich unsere Kinder selbst kennen und können sich abseits des Pythagoras beweisen.
Sport, Musik und Kunst sind gut für die Seele. Sie schulen Koordination, Konzentration, Geduld und Ausdauer. Deshalb ist hier der Unterrichtsausfall genauso bedenklich wie in den Kernfächern. Eltern wie Lehrer dürfen das nicht unwidersprochen hinnehmen, genauso wie in anderen Fächern müssen sie auf Ersatzstunden oder Ersatzlehrer drängen, wenn der Unterricht zu oft auszufallen droht.
Was das G8 bedeutet
Die Einführung des achtjährigen Gymnasiums - das sogenannte Turboabitur - führte in vielen Bundesländern zu einem Sturm der Empörung: Die Lehrer fühlten sich von der schnellen Umsetzung überfordert. Es fehlten neue Schulbücher und Kantinen für die
notwendig gewordene Mittagsbetreuung, vor allem aber mangelte es an der konsequenten Entschlackung der Lehrpläne. Bis zu zwei Drittel der G8-Schüler haben nach neueren Schätzungen Probleme, den geforderten Stoff in einem Jahr weniger zu lernen. In Nordrhein-Westfalen riet die Kultusministerin den Lehrern gar, weniger Hausaufgaben aufzugeben, um die Freizeit am Nachmittag wiederzubeleben. Alle Vorwürfe münden in der Erkenntnis, dass der Schulstress durch die um ein Jahr verkürzte Gymnasialzeit zu groß sei. In einer Umfrage der Landes-Eltern-Vereinigung Bayern gaben 2007 rund 75 Prozent der Eltern an, dass das Lernpensum der Kinder den Familienalltag belaste. Berechnungen ergaben, dass 50 Wochenarbeitsstunden für G8-Schüler durchaus zur Regel gehören können. In Internetforen klagen Schüler und Eltern über die »grausamen« Zustände. Es fehle Zeit für Sport, Freizeit und Persönlichkeitsentwicklung. Dabei war die Reform in Bezug auf Europa längst überfällig, da sind sich die meisten Experten einig. Nur die zu schnelle Umsetzung löste die Kritik aus. Mit der G8-Reform hätte eben auch eine Reform der Didaktik, der Lerninhalte und Schulstrukturen einhergehen müssen. Stressbelastungen und Leistungsdruck lassen sich mit schlecht ausgestatteten Schulen und zu wenig Lehrern nicht kompensieren. Im Gegenteil: Dem ohnehin strapazierten System wurde noch eine weitere Bürde aufgeladen. Und was noch schlimmer ist: Nicht nur dem System, sondern vor allem den Kindern und ihren Eltern!
Wie könnten Schulen noch besser werden?
Es ist ein interessantes und urdeutsches Phänomen: Nach dem Bekanntwerden der PISA-Ergebnisse wurde eine breite Schulstrukturdebatte ausgelöst, von der Sinnhaftigkeit der Gesamtschule bis zum Beginn der Einschulung. Das kann man alles diskutieren, ich hätte mir stattdessen lieber eine Diskussion über die Ziele einer Schulbildung heute gewünscht. Was sollen
Schüler und Schülerinnen in der Schule eigentlich lernen? Was sollen Lehrer und Lehrerinnen in ihrer Ausbildung erlernen? Es ist auch noch niemand auf die Idee gekommen, die Schüler und Schülerinnen selbst zu fragen, mit welchen Zielen sie eigentlich zur Schule gehen. Hier sind die PISA-Ergebnisse hinsichtlich der kulturellen Unterschiede zwischen den Ländern und hinsichtlich des Erfolges bestimmter Schulsysteme zu heterogen, als dass sie eine Aussage darüber träfen, welche Schulform die einzig »wahre« sei. Aber es lassen sich durchaus Thesen formulieren, wie man die
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