Wie Kinder heute lernen
Motivation dafür aus dem Spieltrieb der Kinder ziehen. Bei vielen Spielen in der Schule scheiden Kinder mit Koordinationsschwierigkeiten sehr früh aus und werden damit auch weniger trainiert. Insofern bietet es sich an, dass diejenigen, die früh ausscheiden, motorische Zusatzaufgaben erledigen müssen, z. B. eine Runde Rückwärtslaufen oder Seilspringen.
Aber auch Eltern können etwas für ihre Kinder tun: Aus Sorge vor möglichen Verletzungen sollten sie den Bewegungsdrang ihrer Kinder nicht zu sehr einschränken. Fallen lernt man nur durch Fallen. Dies soll kein Aufruf zur Unvorsichtigkeit sein, aber das Eingehen von kleinen Risiken beim Spielen kann dazu beitragen, später große Risiken durch Bewegungsstörungen zu verhindern. Bewegungsmangel führt in jedem Fall oft zu Koordinationsproblemen, und die können für Kinder weit gefährlicher sein als wildes Spielen auf dem Spielplatz.
Rudolf Korinthenberg vom Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Freiburg stellt zu den verschiedenen Therapieverfahren fest: »In den meisten Evaluationsstudien konnte gezeigt werden, dass die Behandlungsprogramme … positive Effekte erreichten. Diese Erfolge sind jedoch zum Teil als unspezifische Wirkungen als Folge einer intensiveren Zuwendung, eines besseren Verständnisses für die Probleme des Kindes und anderer indirekter Interventionseffekte zu interpretieren. Daher ist unabhängig von speziellen Interventionsprogrammen die Förderung der Bewegungserfahrung der Kinder im Alltag, beim
Spielen und durch sportliche Betätigungen notwendig. Der verständnisvolle Umgang mit den ungeschickten Kindern, die Stärkung ihres Selbstwertgefühls und ihrer Motivation sowie die Förderung ihrer übrigen Fähigkeiten sind essenziell für die Persönlichkeitsentwicklung und zur Verminderung sekundärer Verhaltensstörungen.«
Pubertät ohne Lernzuwachs
Es mag zunächst überraschend erscheinen, das Thema »Pubertät« unter Lernstörungen zu finden. Aber wenn man sich die Ergebnisse der so genannten Hamburger LAU-Studie (Lernen-Ausgangslage-Untersuchung von 1996-2006) ansieht, stellt sich die Frage nach einem Zusammenhang zwischen Pubertät und Lernstörungen mit aller Ernsthaftigkeit. Diese Studie hat untersucht, wie sich der Lernzuwachs der Schüler und Schülerinnen über die Schulzeit ausnimmt. Getestet wurden die Leistungen der Schüler in Rechtschreibung sowie ihre Sprach- und Mathematikkenntnisse. Die Erhebung ergab, dass während der Pubertät, also zwischen den Klassen sieben und neun, der Lernzuwachs minimal ist. Das Fazit ist ernüchternd: Vor allem die Klassenbesten in der siebten Klasse hatten bis zur Klasse neun kaum etwas dazugelernt. Statt eines Lernzuwachses glichen sich die Leistungen schwacher und starker Schüler einander an. Lehrer, die diese Jahrgänge unterrichten, berichten von einer Art Strafversetzung in ein »pädagogisches Absurdistan«, so hoffnungslos scheint das Unterfangen, diesen Jugendlichen neues Wissen zu vermitteln. Läuft hier in der Schule etwas falsch? Oder ist es die Pubertät der Jugendlichen, die zu diesem Ergebnis führt?
Neue Baustellen im Gehirn
Die Zeit der Pubertät ist für alle Beteiligten - Eltern und Jugendliche - gleichermaßen schwierig. Brave Schüler werden zu Rüpeln; die noch gestern liebenswerte Tochter fragt heute laut schreiend,
wo ihr Haargel geblieben ist; es werden Türen geschlagen; Eltern in Frage gestellt, genau wie alles andere auch; nichts scheint mehr so wie zuvor. Vor allem die Launen der Teenager sowie ihre emotionale Kontrolliertheit sind unberechenbar. Diese gefühlsmäßige Instabilität, die pubertierende Jugendliche vor allem auszeichnet, wurde bisher meist mit Hormonen, die die Kinder durchdrehen lassen, oder uneinsichtigen Eltern, die den Jugendlichen nicht genügend Freiheiten einräumen, in Zusammenhang gebracht.
Mittlerweile gibt es aber Beweise dafür, dass es sich schlicht und ergreifend um eine vorübergehende Baumaßnahme im Gehirn handelt, die zu Anpassungsstörungen bei pubertierenden Kindern führt. Noch bis vor wenigen Jahren glaubte man, dass die Gehirnreifung im Wesentlichen nach den ersten drei Lebensjahren abgeschlossen ist. Ob dem wirklich so ist, hat der Neurologe Jay Giedd von den National Institutes of Health in den USA mit Hilfe eines bildgebenden Verfahrens (der funktionalen Kernspintomografie) an 150 Jugendlichen untersucht, und zwar von der Kindheit bis in das Erwachsenenalter hinein. Er stellte dabei fest, dass das
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