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Wie Kinder heute lernen

Titel: Wie Kinder heute lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Korte
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Verfahren hat man festgestellt, dass die Basalganglien (das sind Hirnareale tief im Innern des Gehirns, die mit Bewegung und Aufmerksamkeit zu tun haben) bei hyperaktiven Kindern kleiner, der Stirnlappen schlechter durchblutet ist und weniger Glukose verbraucht, was auf eine verminderte Aktivität schließen lässt. Die Basalganglien koordinieren die Motorik, und es könnte sein, dass die vermehrte motorische Aktivität ein Verhalten ist, um die minderaktiven Nervenzellen in Schwung zu bringen. Der Stirnlappen kontrolliert
vor allem die Aufmerksamkeit und Konzentration, er ist der Sitz des Arbeitsgedächtnisses (siehe auch Kapitel 2.1, »Motivation und Konzentration«). Darüber hinaus ist er an der Impulskontrolle beteiligt. Man geht davon aus, dass diese schlechtere Versorgung des Stirnlappens eine Entwicklungsverzögerung ist. Durch entsprechende Übungen bzw. eine medikamentöse Behandlung kann die Reifung des Stirnlappens aber gefördert werden.
     
    Therapien oder Medikamente?
    Nicht jedes sehr aktive und mit einem großen Bewegungsdrang ausgestattete Kind ist hyperaktiv! Man sollte also sehr vorsichtig damit sein, diese Kinder vorschnell zu pathologisieren. Bei ADS können Aufmerksamkeitsstörungen und Hyperaktivität zusammen auftreten, sie müssen aber nicht miteinander kombiniert sein - das gilt vor allem für Mädchen.
    Wenn ADS diagnostiziert wird, handelt es sich sehr wahrscheinlich um einen hirnorganischen Entwicklungsdefekt, für den weder Eltern noch Kinder verantwortlich sind. Diese Störung kann mit Medikamenten und Therapien behoben werden. Bei Kleinkindern mit ADS ist jedoch von einer medikamentösen Behandlung abzuraten. Bei Kindern im Grundschulalter dagegen kann es ratsam sein, Stimulanzien wie z B. Ritalin (mit dem Wirkstoff Methylphenidat, einer amphetaminähnliche Substanz) einzunehmen. Es erhöht die Konzentrationsfähigkeit und mindert ihr sozial störendes Verhalten. Die Einnahme muss äußerst sorgsam in Absprache mit Therapeuten und Kinderärzten erfolgen, denn die Nebenwirkungen sind beachtlich: Kopf- und Magenschmerzen, emotionale Instabilität und Schlaflosigkeit. Um so erstaunlicher ist es, dass in den USA mittlerweile mehr als vier Millionen Kinder regelmäßig Ritalin schlucken. Das sind über 90 Prozent des Weltbedarfs! In Deutschland sind es immerhin zwischen 100 000 und 150 000 Kinder, die zu Ritalin greifen. Medikamente sollten aber weder zur Modedroge verkommen, noch stigmatisiert werden. ADS ist keine Erfindung
der Pharmaindustrie oder von Eltern, die mit ihren lebhaften Kindern nicht klarkommen. Ist die Diagnose professionell gestellt, können Medikamente eine große Hilfe für Eltern, Lehrer und vor allem die betroffenen Kinder sein. Die hohen Verschreibungszahlen in den USA zeigen allerdings auch, wie kulturabhängig die Verschreibungspraxis ist und wie nahe Therapie und Doping beieinanderliegen können. Auch in Deutschland ist die Menge an verkauftem Methylphenidat beachtlich: 1993 wurden 34 Kilogramm Methylphenidat in Form von Fertigarzneien verkauft. 2006 waren es 1221 Kilogramm. Hier gilt es die Gründe für die vermehrte Verschreibung in Deutschland genau zu ergründen, ohne Ärzten und Eltern, die Kindern mit ADS/ADHS pharmakologisch zu behandeln versuchen, unter einen Generalverdacht zu stellen.
    Was die Einschätzung des Erfolgs von Medikamenten bei ADS so schwierig macht, ist die Tatsache, dass ADS keine eng umschriebene Störung ist, sondern ein Bündel von Symptomen beinhaltet. Deshalb sollte man sich beim Einsatz von Medikamenten bei ADS-Kindern unbedingt auf ärztliche Hilfe verlassen. Wichtig ist auch zu wissen, dass Medikamente ADS nicht beheben, sondern lediglich deren Symptomatik weitgehend einschränken. In den meisten Fällen erweisen sich langfristig nur zusätzliche psychologische Trainingsprogramme als wirksam, die sich über ein bis zwei Jahre erstrecken. Auch in diese Therapie sollten Eltern immer mit einbezogen werden. Angemerkt sei noch, dass spezielle Diättherapien umstritten sind und ihr positiver Effekt auf eine Behebung der Störung nicht nachgewiesen ist.
    Der Selbsthilfeverein ADHS Deutschland e.V. ( www.adhsdeutschland . de oder 030 - 85 60 59 02) gibt kompetent Antworten auf alle Fragen rund um ADS/ADHS. Auch die Pharmafirma Janssen-Cilag hat Informationen und Materialien (z.B. ein gelungenes Mal- und Rätselbuch) für Eltern und Lehrer zusammengestellt ( www.mehr-vom-tag.de ).

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