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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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nicht mehr wiederkommen, schaffen es ja auch!», wandte Laura ein.
    «Ja, aber nur, weil ihre Familien vermutlich heilfroh darüber sind, sie los zu sein!» Er lachte keckernd.
    «Lass uns mal ernst sein, Vater! Was für einen Eindruck hast du denn inzwischen von dem jungen Mann?»
    «Keinen schlechten. Er ist gebildet, verhält sich ein wenig seltsam, und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass er sich an mehr erinnert, als er zugibt. Vielleicht will er sich nicht an seine Identität erinnern? Hast du schon mal davon geträumt, jemand anders zu sein?»
    «Natürlich!», sagte Laura. «Als junges Mädchen hatte ich unendliche Auswahl unter Sängerinnen, Schauspielerinnen, Wohltäterinnen der Menschheit   …»
    «Und in letzter Zeit?»
    Laura ließ den Finger über die Struktur der Raufasertapete im Flur gleiten. «Habe ich mir einmal gewünscht, ganz frei zu sein – aber nicht als jemand anders, sondern als ich selbst.»
    «Mhhm!», knurrte Emilio Gottberg. «Hing mit dem Italiener zusammen, was?»
    «Ja.»
    «Und jetzt?»
    «Ich weiß es nicht!»
    «Na, lassen wir das. Mich jedenfalls würde es nicht wundern, wenn Pier Paolo plötzlich verschwinden würde.»
    «Kann er nicht. Ich habe ihm einen Polizisten vor die Tür gesetzt. Immerhin sind seine Fingerabdrücke auf der Tatwaffe!»
    «Glaubst du wirklich, dass er die Frau erschossen hat?»
    «Keine Ahnung. Vielleicht nicht – vielleicht doch! Was meinst du?»
    «Ich meine, dass er sie nicht erschossen hat. Ich denke eher, dass er selbst verdammtes Glück hatte, diese Geschichte überlebt zu haben.»
    «Und wer war’s dann?», fragte Laura, leise vor sich hinlächelnd ob der Ernsthaftigkeit ihres Vaters.
    «Internationaler Menschenhandel, Mafia – was weiß ich. Beneide dich wirklich nicht um diesen Fall, meine Tochter. Passt du auch gut auf dich auf?»
    «Na klar, ich hab zwei Kinder!»
    «Und mich!»
    «Und dich!»
    «Was machst du jetzt?»
    «Ich lege mich in die Badewanne!»
    «Musst du nicht ins Dezernat?»
    «Nein, ich bin krank! Grippe!»
    «Und wer arbeitet an dem Fall?»
    «Ich, Baumann und Guerrini und du!»
    Der alte Gottberg stieß ein schnaubendes Geräusch aus.
    «Nicht zufrieden, dass du Mitglied einer geheimen SOKO bist?», fragte Laura.
    «Du hast vielleicht Ideen!», sagte er. «Ich muss jetzt los! Ruf dich heute Nachmittag an. Vielleicht bekomme ich heute ein bisschen mehr aus ihm heraus.»
     
    Als Angelo Guerrini am Morgen Flavios Freundin gegenübersaß, beschloss er, seine Freundlichkeit etwas zu mäßigen. Flavio-Rinaldo befand sich in einem stabilen Zustand, und die Ärzte waren zuversichtlich, sein Leben retten zu können.
    Guerrini konnte nicht genau beurteilen, ob Donatella darüber froh war oder nicht. Ihr Gesicht war völlig ausdruckslos.
    «Nun möchte ich wissen, ob Ihnen jemand gefolgt sein könnte!», sagte er.
    «Nein!», erwiderte sie und warf ihm einen kurzen Blick zu. «Man hat es versucht, aber ich bin darin inzwischen geübt.»
    «Worin?»
    «Im Abtauchen!»
    «Weshalb?»
    «Flavio hat mich ziemlich häufig in Situationen gebracht, die solche Fähigkeiten trainiert haben!»
    «Welche Situationen?»
    «Demos gegen die Globalisierung zum Beispiel! Sie sind doch selbst bei der Polizei! Da wissen Sie ja, wie es bei uns in Italien abgeht!»
    Guerrini lehnte sich zurück und schaute durch das große Fenster nach draußen. Menschen unter Regenschirmen eilten vorüber.
    «Ja!», sagte er. «Aber ich bin bei Demonstrationen nicht im Einsatz. Ich seh sie nur im Fernsehen.»
    «Glück für Sie!»
    «Passen Sie auf, Donatella! Ich würde gern denjenigen finden, der Ihren Freund beinahe umgebracht hat und der wahrscheinlich auch der Mörder von zwei Frauen ist. Ich benötige dabei Ihre Mitarbeit – auch wenn Sie gegenüber den toten Frauen nicht gerade voller Mitgefühl sind!»
    Sie senkte den Kopf und runzelte die Stirn. «Das ist nicht fair!», murmelte sie. «Es ist ganz entsetzlich, dass diese Frauen ermordet wurden!»
    «Ja!», erwiderte er. «Genauso würden das Frauen Ihrer Klasse ausdrücken. Es ist ganz entsetzlich! Aber das sagt nichts. Es ist eine Floskel, Donatella. Diese Frauen haben ihr Leben eingesetzt, um der Armut zu entkommen. Sie sind von einem Schrecken in den anderen geraten. Ganz egal, wie desillusioniert sie inzwischen waren, wie hartgesotten, vielleicht verkommen. Sie befanden sich auf einer Reise ins Ungewisse, weitergereicht von Menschen, die sie nicht kannten, durch fremde Länder, fremde Sprachen

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